Nach den ersten Abmahnungen und Gerichtsurteilen zu Schleichwerbung in Influencer-Beiträgen setzt sich die Kennzeichnungspflicht für vergütete Inhalte immer stärker durch. Aber welche Folgen hat das für die Glaubwürdigkeit der Social-Media-Idole und das Influencer-Marketing? Wir haben Studien befragt und herausgefunden: Die Kennzeichnung von Kooperationen muss nicht zwingend zum Problem werden. Im Gegenteil, es gibt Hinweise darauf, dass die Offenheit der Influencer sogar ihre Glaubwürdigkeit erhöht.
Vertrauen als Basis für Glaubwürdigkeit, die klassische Werbung schlägt
Es mag noch immer viele Werbeprofis und auch die digital Naiven wundern, aber Influencer-Marketing ist keine Blase, sondern ein wirkungsvolles Marketinginstrument. In einer Umfrage belegte jüngst die Influencer-Marketing-Plattform Influry (sicher nicht ganz uneigennützig), dass Produktempfehlungen von Influencern für ihre Community unter anderem glaubwürdiger wirken als beispielsweise Artikel in Zeitungen und Zeitschriften, Empfehlungen von Social-Media-Freunden, klassische Printanzeigen oder TV-Spots.
Laut einer Studie halten 29 % der Befragten Influencer für besonders glaubwürdig. Statistik: Influry, Quelle
Die Gründe für die hohe Glaubwürdigkeit haben wir in unserem Beitrag Die Krise des Influencer-Marketings bereits analysiert: Weil die Nutzer sozialer Medien eine enge Bindung zu den Influencern aufbauen, vertrauen sie ihren Einschätzungen. Und das wirkt sich positiv auf Marken und Produkte aus, die von einflussreichen Bloggern, Instagrammern und Youtubern vorgestellt werden, denn die Sympathie, das Vertrauen und die Glaubwürdigkeit übertragen sich auch auf sie. Welche Effekte das haben kann, zeigen viele Erfolgsgeschichten: 2015 hat beispielsweise Lord & Taylor in einer Kampagne 50 Instagrammer jeweils dasselbe Kleid auf ihren Kanälen präsentieren lassen und sorgte damit für einen Run auf das Stück — ein paar Tage später war das Kleid restlos ausverkauft. Allerdings wünschen sich viele Nutzer, dass solche Beiträge klar als Werbung gekennzeichnet werden. Und genau das war bisher eher unüblich. Instagrammerin Vreni Frost erklärt in einem Artikel des Magazins Focus, dies geschähe teils aus Unkenntnis, teils aber auch absichtlich. Oft höre sie nämlich: “,Das sieht nicht gut aus.‘ Oder: ‚Das ist nicht authentisch.‘“
Schleichwerbung und Abmahnungen
Doch mit dem steigenden Erfolg der Influencer nahm die Kritik an den mittlerweile gängigen Praktiken zu. Denn auch im Internet gelten die Regeln der § 58 und § 7 des Rundfunkstaatsvertrags, wonach Werbung klar als solche erkennbar sein muss. Schon seit Jahren wird darüber berichtet, dass auf Social-Media-Kanälen Schleichwerbung betrieben wird, und eine offene Petition forderte Anfang dieses Jahres eine “einheitliche, transparente und faire Regelung zum Umgang mit Werbung und Produktplatzierung auf Social Media und Konsequenzen bei Verstößen.” Und Konsequenzen wurden nun gezogen. Als einer der ersten wurde Anfang Juni der Youtuber Flying Uwe zu einer Geldstrafe von 10.500 € verurteilt, weil er mehrere Videos, in denen er Produkte vorstellte, nicht als Dauerwerbesendung markiert hatte. Auch Scarlett Gartmann, die Lebensgefährtin von Fußballer Marco Reus, musste sich nun vor Gericht wegen fehlender Hinweise auf werbliche Inhalte verantworten, andere Kanal-Betreiber wurden auf Verstöße hingewiesen. Medien berichten von einer regelrechten Abmahnwelle, die den Influencern drohe. Aber nicht nur die Internet-Idole selbst sind betroffen. Die Unternehmen müssen ebenfalls mit Strafen rechnen, wenn sie an unzureichend gekennzeichneten Kooperationen beteiligt sind. So sorgte die Drogeriekette Rossmann jüngst für Schlagzeilen, weil sie nach der Zusammenarbeit mit einem Instagram-Star wegen Schleichwerbung verurteilt worden war. Die angemahnten Posts waren zwar mit dem Hashtag #ad versehen worden, die Kennzeichnung hob sich laut Gerichtsurteil aber nicht deutlich genug von den anderen Inhalten ab.
Kennzeichnung macht klar: Ein Großteil der Inhalte ist werblicher Natur
Rossmann reagierte auf das Urteil mit einer Verschärfung der Kennzeichnungsregeln und bleibt nicht allein mit den Nachbesserungen. Flying Uwe hat die beanstandeten Videos gelöscht und hält laut einer Pressemitteilung der Medienanstalt Hamburg/Schleswig-Holstein die Kennzeichnungspflichten mittlerweile ein. Insgesamt hätten die Prüfungen zu zahlreichen Nachbesserungen auf Seiten der Influencer geführt. Scarlett Gartmann ließ durch ihren Anwalt ausrichten, sie werde sich ab sofort an die Vorgaben halten, berichtet die Westfalenpost. Entsprechend zufrieden zeigt sich die Direktorin der Landesmedienanstalten in einem Interview mit den Aufklärungsmaßnahmen: Die Kennzeichnung habe sich erheblich verbessert. Auch Instagram selbst hat mittlerweile Möglichkeiten eingeführt, bezahlte Partnerschaften mit Unternehmen in der App einfach kenntlich zu machen.
Und tatsächlich scheint allmählich ein Umdenken stattzufinden und ein Bewusstsein dafür zu entstehen, dass man sich auch in den sozialen Medien an bestimmte Regeln halten muss. Ob es die Sorge vor Abmahnungen ist oder vielen Social-Media-Stars schlichtweg jetzt erst klar wird, dass sie kenntlich machen müssen, wenn Unternehmen ihnen Gegenleistungen für Erwähnungen zukommen lassen, bleibt offen. Wer aber die Kanäle verschiedener Influencer begutachtet, wird festellen, dass in den neuesten Beiträgen nun sehr regelmäßig die Stichworte Werbung, Anzeige und Advertisement zu finden sind.
Die Anzahl der Instagram-Postings mit Werbe-Kennzeichnung hat seit 2013 deutlich zugenommen.
Doch bei manchen Influencern wächst die Sorge, dass ihre Kooperationen bei den Followern auf Unverständnis stoßen. Instagrammerin Elisa Becker alias Cinderelly betont beispielsweise: “Ich möchte mein Account bodenständig und voller Transparenz zeigen, deshalb schreibe ich auch #werbung und ich muss auch noch zugeben, dass ich nicht für alles bezahlt werde!”
“Mir ist es wichtig, dass mein Verdienst nicht im Vordergrund steht, sondern dass ich zu 100% hinter den Produkte stehe!” — So wirbt die Instagrammerin Cinderelly um das Vertrauen ihrer Follower.
Die Sorge ist möglicherweise nicht unberechtigt, denn tatsächlich wird nun das Ausmaß der Durchsetzung des Social-Media-Universums mit werblichen Inhalten sichtbar. Dem geneigten Beobachter wird auffallen, dass beispielsweise auf dem Instagram-Kanal von Influencer-Größe Caro Daur, die laut Manager Magazin rund eine Million Euro im Jahr mit ihren Beiträgen verdient, schon mal vier von sechs Postings als Anzeigen gekennzeichnet sind. Ein ähnliches Bild bietet sich auf anderen Kanälen. Die Macher einer an der HTW Berlin durchgeführten Studie kommen zu dem Ergebnis, dass 83 % der von Fitness-Model Pamela Reif auf Instagram veröffentlichten Bilder werbliche Inhalte transportieren — und das wird ihren Followern nun mit deutlicher Kennzeichnung vor Augen geführt.
Das Ende der Glaubwürdigkeit?
Halten wir also fest: Die jüngsten Entwicklungen führen definitiv zu mehr Transparenz in den sozialen Medien. Aber welche Auswirkungen wird es auf die Influencer und das Influencer-Marketing haben, wenn die Kennzeichnungspflicht ernstgenommen wird und tatsächlich jeder bezahlte Beitrag, jede Produktplatzierung und jede Kooperation ab sofort als solche erkennbar sind? Kann man bei gekennzeichneten Beiträgen überhaupt noch von einem Unterschied zwischen Influencer-Marketing und klassischer (Anzeigen)Werbung sprechen? Wird die Glaubwürdigkeit der Blogger, Vlogger und Instagrammer leiden und das gerade erst im Werbeparadies angekommene Influencer-Marketing gleich wieder daraus verstoßen?
Beim Technikportal Basic Thinking ist man davon überzeugt, dass Influencer-Marketing vor allem deshalb wirksam ist, weil Follower nicht erkennen, dass es sich bei vielen Beiträgen um Werbung handelt und konstatiert entsprechend: “Sobald alle werblichen Posts nicht nur mit #Ad versehen sind, sondern auch im Bild oder zu Beginn des Videos einen deutlichen Hinweis enthalten, wird die Glaubwürdigkeit von manchen Influencern deutlich sinken.” Die Kommentatoren des Berichts sehen es zum Teil anders: “Die Nutzerschaft erkennt sehr wohl (aber sicher nicht vollständig) was dort passiert. Aber solange es paßt, den Influencer unterstützt und glaubwürdig ist wird es akzeptiert.” lautet eine These. Eine weitere Reaktion auf den Artikel liest sich ähnlich: “Auch wenn diese Werbung bewusst als solche wahrgenommen wird, genießen die Influencer i.d.R. ein großes Vertrauen in der Zielgruppe, da man sie ja ‘kennt’.” Während die einen meinen, das Influencer-Marketing würde durch die Kennzeichnungspflicht in den Rang einer klassischen Werbung degradiert und deshalb seine Überzeugungskraft einbüßen, glauben die anderen daran, dass die Beziehung zwischen dem Influencer und seiner Community stabil bleibt. Angesichts dieser widersprüchlichen Perspektiven fällt es vielen Verantwortlichen nicht unbedingt leicht, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Wie so oft hilft auch hier ein (genauer) Blick in die Forschung zum Thema.
Warum erzählst du mir das? Manipulationsabsicht vs. Selbstlosigkeit
Interessanterweise können wir feststellen, dass das Prinzip des Influencer-Marketings — sieht man einmal davon ab, dass an das Internet damals noch gar nicht zu denken war — schon vor ziemlich genau 50 Jahren beschrieben wurde. Der Psychologe Ernest Dichter hatte bereits 1966 in seinem Artikel How word-of-mouth advertising works festgestellt, dass wir auf Werbung unterschiedlich reagieren, je nachdem, in welcher von zwei grundlegenden Formen sie auftritt:
Wenn Werbung ausschließlich das Ziel hat, uns ein Produkt oder eine Dienstleistung zu verkaufen, fühlen wir uns schnell bedroht. Jemand möchte unsere Autonomie einschränken, unsere Wahlfreiheit beschneiden. Dann setzen verschiedene Abwehrmechanismen gegen den Überzeugungsversuch ein, wir reagieren skeptisch und hinterfragen die präsentierten Informationen. Wir suchen nach Gegenargumenten gegen die Position des Werbenden, um uns vor der Manipulation zu schützen. Moderne Werbung, wie wir sie beispielsweise in den klassischen Massenmedien zu sehen bekommen, hat sich dieses Wissen zu eigen gemacht: Statt uns mit möglichst umfassenden Produktinformationen beeinflussen zu wollen, setzt sie auf Reduktion, Vereinfachung und Visualisierung. Sie präsentiert uns Bilder statt Text, weil Bilder überzeugender sind, zeigt uns schöne Formen und imprägniert unser Gedächtnis durch die Wiederholung ultrakurzer unkomplizierter Sequenzen. Was sie damit erreicht, ist nicht etwa die Suggestion neuer Motive. Stattdessen reicht es ihr völlig aus, wenn wir unsere bestehenden Motive ein bisschen hinterfragen. Ein Beispiel: Eigentlich wissen wir ganz genau, dass wir kein neues Smartphone benötigen, weil unser aktuelles noch wunderbar funktioniert. Aber dann sehen wir einen Spot über das neue iPhone und denken: ‘Es sieht schon verdammt toll aus!’ Und dieser Effekt genügt, um die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dass wir kaufen. Werbung, die ihre Manipulationsabsicht so offen vor sich herträgt, versucht also ständig, dem Kritiker in uns keinen Grund zu geben, sich genervt abzuwenden und uns so bei unseren alltäglichen kleinen Selbstbetrugsversuchen möglichst optimal zu unterstützen.
Die schöne Form überzeugt ohne viele Worte: Passen diese Accessoires nicht ganz wunderbar in den Herbst? Foto: theopalbunny, Quelle, Lizenz: CCo Creative Commons
Laut Dichter sieht das jedoch ganz anders aus, wenn wir das Gefühl haben, dass uns der Werbende aufrichtig dabei helfen möchte, eine bessere Entscheidung zu treffen. Vermittelt er uns das Gefühl, unvoreingenommen und nicht nur am eigenen Profit orientiert zu sein, entspannen wir uns und hören ihm zu. Er ist dann weniger ein Verkäufer als vielmehr ein Freund — und genau aus diesem Grund verlassen wir uns gerne auf sein Urteil. Dies ist bei Mund-zu-Mund-Propaganda der Fall und zwar auch im Internet. Facebook reichert deshalb Anzeigen, die Werbekunden auf der Plattform schalten, mit sogenannten Social Cues an. Das sind Informationen darüber, welchen Freunden eines Nutzers, der eine Anzeige sieht, das beworbene Produkt, die Dienstleistung oder die Marke ebenfalls gefallen hat. Eine Studie konnte zeigen, dass sich durch die Anzeige solcher Hinweise die Wahrscheinlichkeit der Interaktion des Nutzers mit der entsprechenden Werbeanzeige signifikant erhöht — und zwar umso stärker, je größer die Zahl der Social Cues war, die ihm präsentiert wurden.
Es ist leicht ersichtlich, dass auch das Influencer-Marketing genau so funktioniert — denn die Influencer werden — wir wiederholen es an dieser Stelle noch einmal — von ihrer Community wenn nicht als Freunde, dann jedenfalls zumindest als objektive Beobachter wahrgenommen, die selbst kein Interesse am Absatz eines Produktes haben und deshalb verlässlich sind. Wir lehnen ihre detaillierten Bewertungen und Tests deshalb nicht ab, sondern lassen uns von ihnen überzeugen. Zumindest bis jetzt.
Wendet sich nun das Blatt?
Was aber geschieht, wenn Influencer solche Beiträge, die Unternehmen bei ihnen gekauft haben, ab sofort kennzeichnen? Ist ihre Unabhängigkeit damit nicht aufgehoben? Muss man ihnen dann nicht egoistische statt freundschaftliche Motive unterstellen? Auf den ersten Blick ergeben die in diesem Zusammenhang durchgeführten Studien ein sehr klares Bild: Die Kennzeichnung verringert die Akzeptanz von Werbeinhalten insgesamt deutlich — und zwar plattformübergreifend.
Einer Untersuchung zufolge verschlechterte sich beispielsweise die Einstellung der Probanden gegenüber Beiträgen auf Instagram durch die Offenlegung bezahlter Kooperationen erheblich. Dieser Effekt ließ sich auch in einer Untersuchung zur Kennzeichnung von Werbung auf Facebook nachweisen. Und auch bei der Rezeption von Blogposts aktivierten die entsprechenden Angaben die Abwehrmechanismen der Studienteilnehmer. Dass eine aktuelle kanadische Umfrage deshalb einen prinzipiellen Verlust des Vertrauens in Blogs um fünf Prozent gegenüber dem Vorjahr feststellte, scheint deshalb eine nachvollziehbare Folge zu sein.
All das klingt wie eine späte Genugtuung für diejenigen, die dem Hype von Anfang an nichts abgewinnen konnten, die lieber andere die Sau durch’s Dorf treiben ließen und jetzt selbstzufrieden sagen: Ich habe es doch gleich gewusst. Aber nicht so voreilig. Denn es gibt auch Untersuchungen, die in eine ganz andere Richtung deuten.
Echte Fans, bleibendes Vertrauen
Zählt man beispielsweise die Likes, die Beiträge auf Instagram von den Nutzern erhalten, lässt sich zwischen gekennzeichneter Werbung und allen anderen Posts kein Unterschied feststellen. Bezahlte Inhalte werden zum Teil sogar noch mehr geliked (wenngleich sich aber die Zahl der Kommentare halbiert). Kein Wunder, denn wenn man Fans und Follower befragt, zeigen die sich von den Kooperationen ihrer Stars tatsächlich ziemlich unbeeindruckt: 90% gaben in einer G+J e|MS-Befragung an, dass sie auch werbende Influencer als vollkommen oder überwiegend ehrlich einschätzen. Und fast drei Viertel der Befragten gingen davon aus, dass der Influencer unabhängig ist. Auch im Rakuten Marketing Consumer Survey machten mit 66% zwei Drittel der Befragten deutlich, dass sie einem Influencer auch dann vertrauen würden, wenn es sich bei den von ihm präsentierten Informationen um bezahlte Inhalte handeln würde.
Mit Influencer-Marketing ließ sich Vertrauen bisher in Conversions verwandeln. Foto: rawpixel.com, Quelle, Lizenz: CCo Creative Commons
Aber wie lassen sich solche einander entgegengesetzten Ergebnisse erklären? Man muss genauer hinschauen, um den Grund dafür zu entdecken: Er liegt im Studiendesign. Die zuerst genannten Studien wurden nämlich jeweils an Probanden durchgeführt, die zum jeweiligen Influencer, dessen Inhalte sie bewerten sollten, keinerlei Beziehung hatten. Es handelt sich jeweils um eine Gruppe von Studenten aus einem Probandenpool, deren Bewertung der Glaubwürdigkeit des Influencers nicht auf jenem spezifischen Vertrauensverhältnis beruhte, wie es für Mitglieder einer Community aber charakteristisch ist. In dieser Hinsicht muss man die Untersuchungen deshalb leider als äußerst unrealistisch bezeichnen. Auch die kanadische Studie ist eine repräsentative Bevölkerungsumfrage, die sich also nicht auf die Leserschaft von Blogs konzentriert.
Dies ist bei jenen Studien, die der These des Vertrauensverlustes deutlich widersprechen, anders. Ihre Ergebnisse sind realistischer, weil sie keine künstlichen Settings erzeugen, sondern die alltäglichen Erfahrungen und tatsächlichen Einstellungen der Nutzer abfragen. Natürlich muss man auch beachten, dass sie von Influencer-Marketing-Agenturen durchgeführt wurden, deren Agenda man nicht außer Acht lassen darf. Aber auch eine unabhängige wissenschaftliche Studie, die reale Vertrauensbeziehungen erforscht, kommen zu sehr ähnlichen Ergebnissen.
Kennzeichnung — ein “Non-Issue”
Eine Untersuchung zu Word-of-Mouth-Marketing zeigte beispielsweise, dass die Einschätzung von Influencern durch die Offenlegung ihrer Kooperation mit einem Unternehmen nicht negativ beeinflusst wurde — sofern zwischen ihnen und den Probanden eine persönliche Vertrauensbeziehung bestand. Sie wurden von ihren Freunden und Bekannten auch dann als sehr glaubwürdig wahrgenommen, wenn sie zugaben, dass sie Anreize dafür erhalten hatten, mit ihnen über bestimmte Produkte zu sprechen. Mehr noch: In der Studie wurden sie sogar als vertrauenswürdiger eingeschätzt als jene Influencer, die ihre Zusammenarbeit mit der Agentur gar nicht erwähnten. Im Fall einer starken Bindung zwischen Influencer und Proband wurde der Glaubwürdigkeitsbonus noch einmal verstärkt, also dann wenn beide Lebensgefährten, enge Freunde oder Verwandte waren.
Für Verfechter des Influencer-Marketings sicher ebenso interessant: Die Wahrscheinlichkeit, dass die Adressaten der Empfehlung ihrerseits über das Produkt oder die Marke berichteten, war ebenfalls höher, wenn eine Kennzeichnung der Incentivierung stattgefunden hatte. Dementsprechend hatte die Enthüllung auf die Wahrnehmung des Produkts, der Marke oder des Unternehmens keine negativen Auswirkungen. Ebenso verringerten sich auch die Kaufabsicht und das Interesse am Produkt trotz der Ehrlichkeit des Influencers nicht.
Überraschenderweise gaben 75 % der Probanden an, dass die Kooperation zwischen dem Influencer und dem Unternehmen für sie sogar ein “Non-Issue”, also eine Nichtigkeit, war. Für die Autoren der Studie ist klar: Diese Ergebnisse lassen sich sinnvoll nur durch die persönliche Beziehung zwischen den Teilnehmern des Experiments erklären. Das Risiko einer möglichen Befangenheit ihres Gesprächspartners setzten die Probanden in den Kontext ihrer positiven Erfahrungen, die sie zuvor mit dem Influencer gesammelt hatten.
Wie in der Studie ist auch das Influencer-Marketing über Social Media durch persönliche Beziehungen charakterisiert. Die werblichen Inhalte sind dadurch in einen vertrauensvollen Kontext eingebettet. Deshalb sind die gekennzeichneten Beiträge auch etwas anderes als klassische Werbeanzeigen oder Spots. Solange das Vertrauen zwischen dem Influencer und seiner Community nicht gestört wird, bleibt die Persuasivität erhalten. Es mag sein, dass der Social-Media-Star für den Beitrag bezahlt wurde — dennoch gehen die Nutzer davon aus, dass seine Motivation vor allem darin liegt, sein Publikum gut zu informieren. Werbung, die durch den Influencer gepostet wird (also nicht einfach als beispielsweise störender Banner am Bildschirmrand aufflackert), partizipiert also am Kontext der persönlichen Beziehung.
Offen ist allerdings, ob dieser Effekt dauerhaft stabil ist. Denn vermutlich leidet die Glaubwürdigkeit, wenn der Werbeanteil auf einem Kanal den Anteil der inhaltlichen Postings deutlich überwiegt. Besonders gefährdet ist das Vertrauen aber vor allem dann, wenn der Influencer vor lauter Konzentration auf die Kooperationen mit den Unternehmen nur noch selten oder am Ende gar nicht mehr auf die Beiträge der Community reagiert. Negative Effekte der Kennzeichnungspflicht werden darüber hinaus wahrscheinlich auch dort auftreten, wo noch gar keine Vertrauensbeziehung entstanden ist: Ob ein neuer User den Follow-Button auch dann drückt, wenn ein Profil sichtlich viel Werbung beinhaltet, ist durchaus fraglich.
Möchte ein Influencer seine Vertrauenswürdigkeit dauerhaft erhalten, ist es angesichts dieser Ergebnisse absolut wesentlich, dass er vor allem solche Produkte präsentiert, die zu ihm und seinem Image passen — auch dann wenn es manch einem Unternehmen nicht auf Nachhaltigkeit, sondern nur auf Reichweite und Nennungen ankommt. Damit drängt die Kennzeichnungspflicht die Social-Media-Stars zu einer noch sorgfältigeren und selbstbewussteren Auswahl der Kooperationen, an denen sie sich beteiligen. Gelingt es ihnen, dies zu berücksichtigen, wird es erfolgreiches Influencer-Marketing auch bei durchgesetzter Kennzeichnungspflicht geben.
von Johanna Lange und Stephan Frühwirt
Ich weiss nicht, ob ihr es nicht wisst oder nicht wollt, aber für mich leidet euer Artikel darunter, dass ständig alle Formen von Influencer-Einträgen bunt durcheinandergewürfelt werden.
Die Transparenz ist ja genau das Problem. Aber nicht — okay, nicht nur — so, wie ihr das darstellt, sondern so, wie es etwa cinderelly kritisiert: In den typischen Influencer-Verbalattacken wird die Keule Abmahnung geschwungen und über jegliche Unterscheidung munter dahingeritten.
Alles was mit Unternehmen zu tun hat, bis hin zu Fotos von selbstgekauften Produkten, soll angeblich als Werbung deklariert werden müssen. PR-Samples, Pressereisen, Kooperationen welcher Art auch immer, vollständig gekaufte (und von Unternehmen geschriebene/bestimmte) Postings und komplett vom „Influencer” gefertigte und möglichst objektive Bewertungen scheinen in eurer Darstellung (wie so mancher anwaltlichen Erklärung) alle gleichermassen Werbung.
Wenn dann aber alles Werbung geworden ist, wo gibt es dann noch Transparenz, ob etwas nun komplett gekauft oder durch eine Kooperation ermöglicht (aber nicht weiter beeinflusst) oder komplett unabhängig gemacht wurde?
Es sind ja schon die ersten Influencer so verunsichert, dass sie jetzt einfach auf jedes Foto einen „Werbung”-Hinweis knallen. Man könnte ja Eigenwerbung damit machen.
Eure Ergebnisse sind interessant. Aber die Art, wie alles als gekauft präsentiert wird, ist genau das Problem, das vom Gesetz anscheinend nicht sinnvoll abgedeckt wird. Oder eigentlich schon, aber nicht so, wie viele laute Anwälte es gerne hätten und es von so manchen Influencern dann doch wieder nicht deklariert wird…
Lieber Gerald,
vielen Dank für Ihren Kommentar!
Selbstverständlich kann es nicht Sinn der Sache sein, dass alles als Werbung gekennzeichnet wird – und sei es nur prophylaktisch, weil die derzeitigen Vorgaben in Bezug auf manche Beitragsarten zu unklar und die Regelungen insgesamt zu kompliziert sind. Die Gesetzeslage ist hierzu noch nicht so ausgereift, wie sie es sein müsste, um niemanden zu verwirren. Man kann nur hoffen, dass hier bald nachgebessert wird. Da haben Sie völlig Recht.
Dennoch wurden in der Vergangenheit auch zahlreiche Fälle, die klar als Werbung zu betrachten sind, eben nicht gekennzeichnet, und dies ändert sich durch die stärkere Durchsetzung der Kennzeichnungspflicht jetzt eben auch. Insbesondere die Profile reichweitenstarker Influencer weisen diesbezüglich einen zum Teil recht hohen Anteil an werblichen Inhalten auf und wir wollten in dem Artikel darstellen, welche Forschungsergebnisse man zur Frage findet, ob dies negative Auswirkungen auf das Vertrauen der Community in den Influencer hat.
So oder so, es bleibt auf jeden Fall spannend und wir werden weiter forschen.
Viele Grüße aus Berlin!
Hallo zusammen,
ich fand den Artikel wirklich sehr lesenswert, nicht nur, weil er meine eigenen Vermutungen bestätigt hat. Spannend würde ich es finden, modernes „Influencertum” und klassischen Journalismus zu vergleichen und zu eruieren, wie bei beiden mit dem Thema „Werbung” umgegangen wird. Denn Journalisten machen ja schon ewig Pressereisen, auf die sie eingeladen werden, und schreiben darüber, ohne das als Werbung zu kennzeichnen. Zeitungen bekommen Belegexemplare von Büchern, über die sie dann Rezensionen schreiben usw. Einen Vergleich im Einzelfall und die, sozusagen, historische Handhabung im klassischen Journalismus wäre sehr interessant, denn ich habe das Gefühl, dass oft mit zweierlei Maß gemessen und mit dem Finger auf Blogger / Influencer gezeigt wird. In den klassischen Medien werden in vergleichbaren Fällen Artikel ohne Kennzeichnung veröffentlicht ohne mit der Wimper zu zucken… Aber vermutlich wäre das Material für einen eigenen Artikel 😉
Vielen Dank für diesen jedenfalls.
Viele Grüße
Claudia
Schön recherchierter Beitrag — doch, er ist vom Herbst 2017. Die Sachlage hat sich nach dem Urteil des Berliner Gerichts gegen Bloggerin Vreni Frost komplett verändert, denn nun müssen Influencer ALLES kennzeichnen, weil — sie bewerben ja ihren kompletten Alltag.
Mein Tipp, bitte aktualisiert den Beitrag, denn so kann man ihn nicht mehr stehen lassen. In Sachen Werbe-Kennzeichnung muss das Gesetz auf den heutigen Stand nachgebessert werden, denn Werbung ist nicht mehr so einfach mit einer Litfass-Säule zu erklären. Das sagt sogar unsere Bundesministerin für Justiz. Die Grauzone schafft Abmahnern viel Fläche.
Das alle wird in diesem sehr langen Beitrag leider nicht beleuchtet.
[…] es zu den Unterschieden? Ein Grund dafür könnte im Studiendesign liegen. Darauf weist etwa die Social Media Think Unit in Berlin hin. Während die Befragten, die einen Vertrauensverlust bei Influencer-Werbung sehen, häufig […]