Mit ihren Blogs, auf Instagram oder YouTube erreichen sie zum Teil mehrere Millionen Fans, sie stehen im Rampenlicht und gehören zu den Top-Verdienern. Sie sind Idole, Vertrauenspersonen und die Hoffnungsträger des Online-Marketings. Und sie haben das große Glück, ihr Hobby zum Beruf zu machen. Reisen, Kochen oder Schminken — was sie tun, das tun sie aus Leidenschaft, und deshalb kostet es sie keine Mühe. So jedenfalls wirkt es, wenn sie sich auf ihrer Bühne zeigen. Aber wie sieht es hinter den Kulissen aus? Wir sprechen mit Influencern über ihren Erfolg und das, was sie dafür tun müssen. Einmal Realitäts-Check, bitte.
Als die Meinungsmacher und Multiplikatoren des 21. Jahrhunderts werden Influencer wie Stars gefeiert. Ihre Tipps, ihre Bewertungen und ihre Expertise sind gefragt — bei denen, die ihnen folgen, aber auch bei denen, die über sie Aufmerksamkeit für ihre Produkte suchen. In den spannenden Geschichten ihrer Blogartikel, den coolen Videos und auf den nahezu perfekten Bildern genießen sie ein unbeschwertes Leben voller Glück und Sorglosigkeit. Sie sind jung, attraktiv und selbstbewusst und sie verwirklichen sich selbst. Viele verdienen etwas, einige richtig viel Geld und wenige schwelgen sogar im Luxus. Natürlich klingt das alles traumhaft und wahnsinnig aufregend. Und das beste ist: Jeder kann es erreichen. Während sich Prominenz als massenmediales Phänomen früher fernab der Lebenswelt des Publikums ereignete und der Weg zu Ruhm und Chichi in Sphären führte, in denen die Luft für gewöhnliche Menschen zu dünn zum Atmen zu sein schien, kann man heute leicht den Eindruck bekommen, dass es jeder kann: Eine Influencer-Karriere aus dem eigenen Kinderzimmer heraus starten und übermorgen auf den roten Teppichen dieser Welt in Blitzlichtgewitter lächeln. Andy, deine 15 Minuten Weltruhm kannst du stecken lassen. Heute können wir ein ganzes Leben voll davon haben!
Influencer leben ihren Traum! Das zumindest denken die anderen. Foto: rawpixel.com, Quelle, Lizenz: Unsplash-Lizenz
Mal ehrlich, was braucht man denn mehr als ein Instagram-Profil und ein paar Schnappschüsse? Das kann doch jeder! Na ja, vielleicht noch einen Blog, aber spätestens dann fährt man lukrative Kooperationen mit namhaften Luxus-Labels wie Christian Dior, Chanel und Louis Vuitton ein. Oder man bekommt wenigstens kostenlose Produkte von Firmen zu Werbezwecken zugeschickt.
Xenia van der Woodsen: Vom dualen Studium zum gefragten Superstar mit 1,1 Mio. Abonnenten. Das kann doch heute jeder, oder?
Doch der Schein trügt. Innerhalb kürzester Zeit hat sich die Branche stark professionalisiert, bis 2020 soll Influencer-Marketing ein Milliardenmarkt werden. Mittlerweile ist aus dem ursprünglichen Hobby ein richtiger Beruf mit vielen neuen Verpflichtungen für die Influencer geworden, gegenüber ihren Anhängern, gegenüber Unternehmen und gegenüber dem Fiskus. Die Influencer werden zu Selbstständigen, die sich als Marke etablieren und verkaufen müssen. Ständig Präsenz zu zeigen gilt als Selbstverständlichkeit. Und natürlich erwartet man von ihnen, dass ihre Finger am Puls der Zeit kleben und sie auf neueste Trends und Entwicklungen sofort reagieren. Interessante Events müssen vor Ort direkt in eine Instagram-Story verwandelt werden und die vielen neuen Bekanntschaften sind oft nur zweckgebunden und oberflächlich. Die schöne Orte werden zur bloßen Kulisse, in der Produkte möglichst positiv und auf jeden Fall authentisch in Szene gesetzt werden müssen und für den perfekten Schnappschuss hat man den ganzen Vormittag gebraucht: #diditforthegram. Entspannung? Weit gefehlt! Auf den Bildern sieht es wie Spaß aus, in Wirklichkeit aber sind die Aufnahmen vielfach vor allem harte Arbeit. Mit leicht verdientem Geld hat das alles jedenfalls rein gar nichts mehr zu tun.
Darüber kann man lächeln. Schließlich haben sich Influencer ihre Tätigkeit selbst ausgesucht. Sie erhalten viel Aufmerksamkeit und Anerkennung von ihren Fans und Followern und sie verdienen mehr als genug, wenn man glauben darf, was man so liest. Aber so einfach ist es nicht. Eben weil es für die meisten nicht als klassischer Beruf, sondern als Hobby beginnt, sind die Anforderungen und möglichen Probleme für viele zu Beginn überhaupt nicht absehbar. Darüber, was es bedeutet, selbstständig zu sein, machen sich die meisten am Anfang gar keine Gedanken. Ganz überraschend und plötzlich können sich dann Existenzsorgen und Abhängigkeiten entwickeln, in die man vielleicht niemals hatte geraten wollen. Und mit der Anerkennung durch die Fans geht auch eine große Verantwortung einher, der man gewachsen sein muss. In der öffentlichen Debatte werden diese Aspekte nur sehr selten diskutiert, denn das Thema wird tabuisiert. Auf der Seite der Influencer sitzt die Angst vor einem Imageschaden tief und auf der anderen Seite herrschen vor allem Unwissenheit oder Ignoranz vor. Jüngst hat eine bekannte Berliner Modebloggerin einen Artikel über ihr berufliches Scheitern, ihre Zukunftsangst und ihr Burnout geschrieben. Für ihre Offenheit gab es viel Zuspruch, sie erntete aber auch Unverständnis, Spott und Häme.
Viele machen aus Angst vor einem Imageverlust lieber gute Miene zum bösen Spiel als über ihre Sorgen und Probleme zu sprechen. Foto: Sydney Sims, Quelle, Lizenz: Unsplash-Lizenz
Wenn diese Seite einer Influencer-Existenz aber nicht thematisiert werden kann, bleibt das Bild unrealistisch. Deshalb haben wir nach Influencer gesucht, die kein Blatt vor den Mund nehmen und uns hinter den Vorhang blicken lassen. Wir haben mit ihnen über Motive, Erfolg und ihre Meinung über die Branche gesprochen.
Professionalisierung eines Hobbys
„Letztes Jahr hatte ich das Gefühl, dass mir alles über den Kopf wächst. Ich war überfordert und verzweifelt und habe ‘das alles’ einfach nicht mehr auf die Reihe bekommen. Ich wollte es mir nicht eingestehen, aber ich stand kurz vorm Burnout, vielleicht war ich auch mittendrin und es gab viele Tränen. Ich konnte einfach nicht mehr. Ich hatte das Gefühl ich falle einfach auseinander und viel zu oft überkommt mich das Gefühl noch immer.“ Mit diesen Worten leitete die bekannte Bloggerin und Influencerin Masha Sedgwick kürzlich einen Blogartikel ein, in dem sie ihre beruflichen Fehler eingestand und ihre Angst vor der Zukunft zum Ausdruck brachte. Damit brachte sie eine Diskussion unter ihren Lesern und anderen Bloggern ins Rollen, die noch vor wenigen Jahren undenkbar gewesen wäre. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten sich die meisten nämlich beim besten Willen nicht vorstellen können, dass Bloggen und die Präsenz auf Social-Media-Plattformen wie Instagram oder YouTube einmal zu einem ernstzunehmenden Beruf werden würde, der mit so viel Arbeit verbunden sein kann, dass sogar die Diagnose Burnout im Raum steht. Viele haben gar nicht bemerkt, dass die Branche mittlerweile nicht mehr in ihre Kinderschuhe passt, und waren deshalb von der Reflexion über die Wachstumsschmerzen ziemlich überrascht.
Mit der Professionalisierung der Branche steigen die Anforderungen und das Arbeitspensum. Foto: Jordan Whitfield, Quelle, Lizenz: Unsplash-Lizenz
Die eigene Person als Marke und Alleskönner
Viele Blogger und Influencer empfinden durch die Professionalisierung der Branche einen zunehmenden Druck. Denn die Verantwortung gegenüber ihren Kooperationspartnern und ihren Followern wächst schnell. Auch Stefanie* kennt das Gefühl. Obwohl sie sich bereits lange vor ihrem Schritt in die Selbstständigkeit mit dem Thema befasst hatte, war sie sich nicht darüber im Klaren, was mit diesem Schritt tatsächlich auf sie zukommen würde: „Ich entschied mich letztendlich an einem Wochenende dazu, meinen Blog hauptberuflich zu führen. Vorher habe ich aber die wichtigsten Aspekte genau analysiert und mir einen Fragenkatalog erstellt, um mir einen besseren Überblick zu verschaffen, ob ich es wirklich wagen soll.“ Das ist nun 3 Jahre her. Bis dahin hatte Stefanie ihren Blog als Hobby betrieben und in Vollzeit als Moderedakteurin gearbeitet. Doch mit der Zeit wurde die Arbeit, die sie in ihren Blog und ihren Instagram-Account investierte, zu aufwändig, um sie nebenbei zu schaffen.
„Anfangs habe ich gezweifelt, denn eigentlich bin ich jemand, der Sicherheit braucht und Risiken lieber meidet. Mit der Unsicherheit zurechtzukommen ist auch die größte Herausforderung für mich. Schließlich kann es sehr schnell einfach wieder vorbei sein. Manchmal denke ich, es wäre nicht schlecht, trotzdem ein zweites Standbein zu haben, auch wenn es gerade gut läuft. Momentan habe ich aber leider einfach keine Zeit, um mich darum zu kümmern“. Sie verrät uns, dass die Anforderungen sie manchmal ziemlich überfordern. Das komme vor allem durch die Kombination der vielen unterschiedlichen Aufgabenbereiche, die sie nur schlecht outsourcen kann. Niemand könne zum Beispiel einspringen, wenn Fotos für Kooperationen geschossen werden sollen, weil sie selbst die Marke ist, die sie immer wieder in ihren Posts verkaufen muss. Dadurch gebe es für sie auch keine festen Arbeitszeiten, keine Feiertage, keinen regulären Urlaub. „So viel Spaß mir der Blog und mein Instagram-Account auch macht – das geht an die Substanz“, sagt sie.
Content, Fans und Kooperationen — all das kann einem schon mal über den Kopf wachsen. Foto: Caio Jhonny, Quelle, Lizenz: CC BY 2.0
Auch für Olivia* stellt der Umfang der Aufgaben, die erledigt werden müssen, um ständig neuen Content zur Verfügung zu generieren, das größte Problem dar. Mit dem Druck, den sie dabei erlebt, müsse sie aber allein klar kommen: „Man ist ein Allrounder. In regulären Redaktionen werden bis zu 6 Stellen für die verschiedenen Arbeitsbereiche eingesetzt. Als Blogger ist man alles in einem – Texter, Stylist, Bildredakteur, PR-Abteilung, Schlussredaktion und Model. Und um den Fotografen muss man sich natürlich auch kümmern.“
Auf Hilfe kann man als Influencer nicht immer zählen. Wenn man selbst die Marke ist, muss man vieles selber machen. Foto: Quelle, Lizenz: CC0 Creative Commons
Olivia arbeitet zwar noch in einer PR-Agentur, aber sie plant bereits ihren Schritt in die Selbstständigkeit als Bloggerin. Seit sechseinhalb Jahren ist sie nun schon bei Instagram aktiv, wo sie mittlerweile knapp 70.000 Follower hat. Vor etwa vier Jahren kam ihr Blog dazu. Sie sei sich bewusst, dass die Verantwortung, die sie tragen muss, durch ihren Schritt in die Selbstständigkeit deutlich größer werden wird. Das würde sie aber in Kauf nehmen, denn die gewonnene Freiheit stehe für sie im Vordergrund. „Bei Kooperationen muss ich natürlich auch Deadlines und Briefings einhalten – aber zumindest wähle ich selbst aus, welche Kooperationen ich eingehe.“
Nine to Five? Eher 24–7!
Aber nicht nur für Kooperationspartner müssen Blogger und Influencer regelmäßig abliefern, auch die Leser und Follower wollen bei Laune gehalten werden. Denn das Publikum kann sehr schnell das Interesse verlieren. Springen die Fans ab, verliert das Ein-Mann-Unternehmen sofort an Wert, weil Follower bzw. Leser das Kapital eines Influencers sind. Damit das nicht passiert, müssen die Social-Media-Kanäle, vor allem Instagram, rund um die Uhr bespielt werden. Influencer müssen non-stop online aktiv sein, sich in Szene setzen, interagieren.
Lange Arbeitszeiten statt Work-Life-Balance. Denn das Internet schläft nicht. Foto: Victoria Heath, Quelle, Lizenz: Unsplash-Lizenz
Für Kim* wäre das ein zu starker Eingriff in ihr soziales Leben und in ihre Privatsphäre. „Auch wenn ich sehr viel Spaß am Bloggen und an Instagram habe, könnte ich mir nicht vorstellen hauptberuflich Blogger zu sein. Sobald ich davon wirklich komplett finanziell abhängig wäre, würde der Spaß wohl verloren gehen“, sagt sie. Sie betreibt ihren Instagram-Account nur nebenbei, verdient sich dadurch ab und zu etwas dazu, um ihre Studentenkasse aufzubessern. „Mir wäre es außerdem vor meinen Freunden und Bekannten unangenehm, immer online präsent sein zu müssen und mich selbst zu inszenieren. Sie würden es nicht verstehen, wenn ich sie ständig fragen würde, ob sie von mir Fotos machen oder Videos aufnehmen können. In ihrer Gegenwart würde ich das auch selbst nicht machen. Dadurch würde mein ganzes soziales Leben zu stark beeinflusst werden.“
Unsicherheiten, Existenzängste und Sorgen um die Privatsphäre
Paulina* ist es wichtig, in ihren Beiträgen ihre Persönlichkeit authentisch zum Ausdruck zu bringen. Ich möchte auf meinem Profil Dinge posten, die mir gefallen und die mich beschäftigen, nicht nur, was die Masse sehen möchte“, sagt sie. Sie sei in die Rolle hineingewachsen. Schon vor acht Jahren habe sie mit dem Bloggen begonnen, damals mit dem Ziel, Freunde und Familie über ihr Austauschjahr in Paraguay auf dem Laufenden zu halten. Mit der Zeit wurde ihr Blog immer beliebter und wie viele andere, legte auch sie sich ein Profil bei Instagram an. Mittlerweile hat sie dort über 120.000 Follower. Trotzdem weiß sie noch nicht, ob sie diesen beruflichen Weg auch weiterhin gehen wird: „Mir ist die Situation auf dem Arbeitsmarkt und die große Konkurrenz zu unsicher, um eine Zukunft darauf aufzubauen.“ Ihr Blog und ihre Kooperationen auf Instagram seien momentan ihre Haupteinnahmequellen, aber sie sei weiterhin auf der Suche „nach einem richtigen Job.“ Für sie gibt es „viele Schattenseiten der Branche, die man nicht von aussen sieht. Die meiste Zeit läuft bei mir alles ziemlich provisorisch ab und ich versuche einfach nur hinterherzukommen. Ich hatte schon einige schlaflose Nächte – vor allem, wenn es um Probleme geht, die ich nicht selbst lösen kann. Technische Fehler beim Blog zum Beispiel.”
Das nicht immer alles rosig ist, wissen professionelle Influencer aus Erfahrung. Foto: energepic.com, Quelle, Lizenz: CC0 Creative Commons
Für Paulina ist es kein Traumberuf. Sie sagt, dass es auch Situationen gebe, in denen sie es bereue, eine Influencerin zu sein. Zum Beispiel, wenn sie beim Fotoshooting für eine Kooperation von Passanten ausgelacht oder sogar angepöbelt werde: „Viele machen sich dann darüber lustig. Man wird nicht ernst genommen.“ Außerdem habe sie Angst vor Stalking. Nachdem sie Bilder in einer Nebenstraße ihres Wohnviertels gemacht hätte, habe ein Follower ihr eine Nachricht bei Instagram geschickt: Er habe sie beobachtet und würde nun wissen, wo sie wohne. Seitdem achte sie mehr darauf, was sie wann postet, sagt Paulina: „Bei Instagram Stories lade ich meistens sogar Bilder und Videos erst einen Tag später hoch, weil man sonst darin erkennt, wo ich mich gerade aufhalte.“
Auch für Stefanie stellt der Schutz ihrer Privatsphäre besonders bei Instagram ein Problem dar. Einblicke in das eigene Leben gehörten dazu, damit Follower überhaupt eine Bindung aufbauen können, sagt sie: „Es ist wichtig, dass man einen engen Kontakt zu seiner Community hat und somit auch glaubwürdiger rüberkommt.“ Bisher gab es bei ihr aber noch keine Situation, in der sie es wirklich bereut hätte, sich für diese Branche entschieden zu haben, denn ihr Beruf sei gleichzeitig ihre Leidenschaft. „Ich denke, dass jeder Blogger irgendwann an den Punkt kommen wird, an dem er sich entscheiden muss. Sieht man Instagram nur als Hobby und belässt es auch dabei, oder macht man sich das Bloggen zum Full-Time-Job. Eine andere Möglichkeit wird es, denke ich, nicht geben, da ein Instagram Account viel Zeit und Mühe benötigt. Man muss bereit sein, viel Zeit dafür zu verwenden und Spaß daran haben. Also wieso sollte ich nicht mein Hobby – das was ich wirklich liebe und schon immer geliebt habe – zu meinem Beruf machen? Das einzige, was mir Kopfzerbrechen bereitet, ist die finanzielle Unsicherheit. Da habe ich tatsächlich manchmal Existenzangst. Und mittlerweile finde ich es auch schwer, verlässliche Quellen zu bekommen, was die rechtlichen Regelungen betrifft. Das ist noch ziemlich chaotisch. Man kann sich leicht strafbar machen, wenn man bestimmte Vorschriften nicht beachtet. Zur Sicherheit habe ich mir auch ein finanzielles Polster angespart, an das ich nicht rangehe und das nur für den Notfall gedacht ist. Letztendlich ist man als Vollzeit-Blogger zu 100% für sich selbst verantwortlich und muss mit einer gewissen Unsicherheit leben.“
Konkurrenzkampf und Ellenbogenmentalität
Laut Olivia sei die Konkurrenz groß und der Markt „so langsam auch echt sehr übersättigt.“ Man müsse sich immer wieder neu erfinden und kreativ und individuell sein, weil man sonst schnell langweilig und von anderen überholt würde. Dabei sei man immer wieder vor allem auf sich allein gestellt, da man selten Partner habe, die neue Denkanstöße beitragen oder bei Entscheidungen Tipps geben könnten. Neben dem Konkurrenzkampf erlebe sie deshalb auch “Stutenbissigkeit”, insbesondere wenn bei ”großen Events wie z.B. bei der Fashion Week dann alle aufeinander treffen. Ich habe da auch schon Situationen erlebt, die nicht so schön waren und wo mit unfairen Mitteln, zum Beispiel mit der falschen Angabe von Follower-Reichweiten, um den besten Platz gekämpft wurde. Die Modebranche ist knallhart und teilweise sehr oberflächlich.” Trotzdem, sagt sie, könne sie gut damit umgehen und setze auf Qualität: „Aber ich denke, dass man das durch gute und qualitative Arbeit schafft. Ich glaube fest daran, dass alle, die gute Arbeit leisten, auf dem Markt überleben und weiterhin Jobs bekommen. Mit der Zeit trennt sich die Spreu vom Weizen, das ist eine ganz natürliche Auslese.”
Soll ich? Oder soll ich nicht? Das raten unsere Influencer
Was empfehlen Influencer denen, die gerade dabei sind, ihr Hobby zu professionalisieren, vor diesem Hintergrund? Für Olivia bleibt es auch in diesem Fall das Wichtigste, „Spaß an der Sache zu haben. Das sieht man dann auch beim Blog und auf dem Instagram-Kanal. Dadurch kann man Follower und neue Leser bekommen und seinen Traum wahr machen.“
Für Kim ist ein soziales Umfeld wichtig, auf das man sich verlassen kann und das für den nötigen Ausgleich sorgt: Es sei wichtig, Menschen um sich zu haben, mit denen man abschalten und über andere Dinge reden könne als über Follower und Kooperationen. Außerdem „ist es wichtig, sich in der Branche einen Namen zu machen, Networking zu betreiben und Kunden von sich und von seiner Arbeit zu überzeugen. Das Gesamtpaket muss stimmen. Das unterschätzen viele am Anfang, denn es ist mit sehr viel Arbeit verbunden.“
Laut Stefanie müsse man zuerst für sich selbst klären, welche Kriterien im Hinblick auf den eigenen Erfolg ausschlaggebend sein sollen: „Für mich persönlich ist ein Blogger bzw. Influencer beruflich erfolgreich, wenn er es geschafft hat, sich mit seinem Blog selbst zu verwirklichen und nebenbei das Glück hat, davon leben zu können. Das macht sich nicht alles nur an der Reichweite, an der Auftragsmenge oder am Einkommen fest.“ Ein erfolgreicher Blogger müsse seinen Marktwert kennen und gleichzeitig seine Mitbewerber im Blick haben. Aber dabei solle man sich nicht zu stark vergleichen, denn sonst „setzt man sich selbst unnötig unter Druck und steht sich selbst im Weg, weil man den Fokus für die wirklich wichtigen Dinge verliert.“
In jedem Fall sei es wichtig, sein Image nicht für einen kurzfristigen Erfolg zu riskieren und für Betrag X seine Authentizität auf’s Spiel zu setzen: „Das Wichtigste ist, sich selbst treu zu bleiben. Man sollte morgens glücklich und gerne aufstehen, weil man sich mit dem, was man macht, identifizieren kann. Dann sind Zeiten, in denen es mal nicht so gut läuft, auch nicht so schlimm. Vergesst außerdem nicht: jede Niederlage ist auch eine neue Chance. Die Chance umzudenken, aus Fehlern zu lernen und neue Erfahrungen zu sammeln, um es dann besser zu machen. Lasst euch nicht unterkriegen und verfolgt eure Leidenschaft. Aber verliert eure Persönlichkeit nicht für das schnelle Geld und bleibt realistisch“.
Social Interactions generieren: Für professionelle Influencer wichtig — sollte aber nicht zum Selbstzweck werden. Grafik: Frame vector created by Alicia_mb — Freepik.com, Quelle
Paulina rät dazu, im Vorfeld gründlich über die eigenen Motive nachzudenken: „Als erstes würde ich empfehlen, sich selbst zu hinterfragen und zu überlegen, warum man das Ganze machen will. Wenn es rein finanzielle oder materielle Gründe sind, dann würde ich davon abraten. Nur wenn jemand für seine Sache brennt, wird er langfristig gut darin sein, egal ob er es nur als Hobby betreiben möchte oder Größeres anstrebt. Außerdem sollte man mittlerweile ein Alleinstellungsmerkmal haben und sich vorher ein Konzept überlegen, das sich von anderen unterscheidet. Ein roter Faden auf den Social-Media-Kanälen macht Sinn, aber man darf sich von Instagram und Co nicht zu abhängig machen. Der Hype kann genauso schnell vorbei sein, wie er da war. Deswegen sollte man sich auch finanziell vorher absichern oder einen Plan B haben. Ich denke, irgendwann wird die Blogger- und Influencerblase platzen und dann wird man sehen, was passiert und wie sich der Markt neu formt und definiert.“
Was die Zukunft bringt
In welche Richtung sich die Influencer-Branche tatsächlich entwickeln wird, ist momentan schwer abzuschätzen. Während sich die Influencer ihrer Media- und Kreativleistung zunehmend stärker bewusst werden, lernen auch Unternehmen immer besser, wie sie Influencer-Marketing optimal in ihren Marketing-Mix integrieren können. Manche Influencer entlasten sich dadurch, dass sie auf die Leistungen von Vermittlern und Management-Agenturen zurückgreifen, die seit einigen Jahren wie Pilze aus dem Boden schießen. Das kann hilfreich sein, aber auch die individuellen Freiheiten beschränken, weil die Orientierung am Profit dann möglicherweise stärker in den Vordergrund tritt. Etwas Erleichterung würden auf jeden Fall eindeutigere rechtliche Regelungen und Richtlinien schaffen, zum Beispiel im Hinblick auf die Kennzeichnungspflicht. Denn Unklarheiten gehören immer noch zu den häufigsten Triggern für Überforderung.
Autoren: Lara Brockhaus und Stephan Frühwirt
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*Name geändert
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