Foto, Fil­ter, Freu­den­tau­mel? Das sa­gen In­flu­en­cer über ihre Ar­beit und die Schat­ten­sei­ten der Bran­che

Mit ih­ren Blogs, auf In­sta­gram oder You­Tube er­rei­chen sie zum Teil meh­re­re Mil­lio­nen Fans, sie ste­hen im Ram­pen­licht und ge­hö­ren zu den Top-Ver­die­nern. Sie sind Ido­le, Ver­trau­ens­per­so­nen und die Hoff­nungs­trä­ger des On­line-Mar­ke­tings. Und sie ha­ben das gro­ße Glück, ihr Hob­by zum Be­ruf zu ma­chen. Rei­sen, Ko­chen oder Schmin­ken — was sie tun, das tun sie aus Lei­den­schaft, und des­halb kos­tet es sie kei­ne Mühe. So je­den­falls wirkt es, wenn sie sich auf ih­rer Büh­ne zei­gen. Aber wie sieht es hin­ter den Ku­lis­sen aus? Wir spre­chen mit In­flu­en­cern über ih­ren Er­folg und das, was sie da­für tun müs­sen. Ein­mal Rea­li­täts-Check, bit­te.

Als die Mei­nungs­ma­cher und Mul­ti­pli­ka­to­ren des 21. Jahr­hun­derts wer­den In­flu­en­cer wie Stars ge­fei­ert. Ihre Tipps, ihre Be­wer­tun­gen und ihre Ex­per­ti­se sind ge­fragt — bei de­nen, die ih­nen fol­gen, aber auch bei de­nen, die über sie Auf­merk­sam­keit für ihre Pro­duk­te su­chen. In den span­nen­den Ge­schich­ten ih­rer Blog­ar­ti­kel, den coo­len Vi­de­os und auf den na­he­zu per­fek­ten Bil­dern ge­nie­ßen sie ein un­be­schwer­tes Le­ben vol­ler Glück und Sorg­lo­sig­keit. Sie sind jung, at­trak­tiv und selbst­be­wusst und sie ver­wirk­li­chen sich selbst. Vie­le ver­die­nen et­was, ei­ni­ge rich­tig viel Geld und we­ni­ge schwel­gen so­gar im Lu­xus. Na­tür­lich klingt das al­les traum­haft und wahn­sin­nig auf­re­gend. Und das bes­te ist: Je­der kann es er­rei­chen. Wäh­rend sich Pro­mi­nenz als mas­sen­me­dia­les Phä­no­men frü­her fern­ab der Le­bens­welt des Pu­bli­kums er­eig­ne­te und der Weg zu Ruhm und Chi­chi in Sphä­ren führ­te, in de­nen die Luft für ge­wöhn­li­che Men­schen zu dünn zum At­men zu sein schien, kann man heu­te leicht den Ein­druck be­kom­men, dass es je­der kann: Eine In­flu­en­cer-Kar­rie­re aus dem ei­ge­nen Kin­der­zim­mer her­aus star­ten und über­mor­gen auf den ro­ten Tep­pi­chen die­ser Welt in Blitz­licht­ge­wit­ter lä­cheln. Andy, dei­ne 15 Mi­nu­ten Welt­ruhm kannst du ste­cken las­sen. Heu­te kön­nen wir ein gan­zes Le­ben voll da­von ha­ben!

In­flu­en­cer le­ben ih­ren Traum! Das zu­min­dest den­ken die an­de­ren. Foto: raw​pi​xel​.com, Quel­le, Li­zenz: Uns­plash-Li­zenz

Mal ehr­lich, was braucht man denn mehr als ein In­sta­gram-Pro­fil und ein paar Schnapp­schüs­se? Das kann doch je­der! Na ja, viel­leicht noch ei­nen Blog, aber spä­tes­tens dann fährt man lu­kra­ti­ve Ko­ope­ra­tio­nen mit nam­haf­ten Lu­xus-La­bels wie Chris­ti­an Dior, Cha­nel und Lou­is Vuit­ton ein. Oder man be­kommt we­nigs­tens kos­ten­lo­se Pro­duk­te von Fir­men zu Wer­be­zwe­cken zu­ge­schickt.

Xe­nia van der Wood­sen: Vom dua­len Stu­di­um zum ge­frag­ten Su­per­star mit 1,1 Mio. Abon­nen­ten. Das kann doch heu­te je­der, oder?

Doch der Schein trügt. In­ner­halb kür­zes­ter Zeit hat sich die Bran­che stark pro­fes­sio­na­li­siert, bis 2020 soll In­flu­en­cer-Mar­ke­ting ein Mil­li­ar­den­markt wer­den. Mitt­ler­wei­le ist aus dem ur­sprüng­li­chen Hob­by ein rich­ti­ger Be­ruf mit vie­len neu­en Ver­pflich­tun­gen für die In­flu­en­cer ge­wor­den, ge­gen­über ih­ren An­hän­gern, ge­gen­über Un­ter­neh­men und ge­gen­über dem Fis­kus. Die In­flu­en­cer wer­den zu Selbst­stän­di­gen, die sich als Mar­ke eta­blie­ren und ver­kau­fen müs­sen. Stän­dig Prä­senz zu zei­gen gilt als Selbst­ver­ständ­lich­keit. Und na­tür­lich er­war­tet man von ih­nen, dass ihre Fin­ger am Puls der Zeit kle­ben und sie auf neu­es­te Trends und Ent­wick­lun­gen so­fort re­agie­ren. In­ter­es­san­te Events müs­sen vor Ort di­rekt in eine In­sta­gram-Sto­ry ver­wan­delt wer­den und die vie­len neu­en Be­kannt­schaf­ten sind oft nur zweck­ge­bun­den und ober­fläch­lich. Die schö­ne Orte wer­den zur blo­ßen Ku­lis­se, in der Pro­duk­te mög­lichst po­si­tiv und auf je­den Fall au­then­tisch in Sze­ne ge­setzt wer­den müs­sen und für den per­fek­ten Schnapp­schuss hat man den gan­zen Vor­mit­tag ge­braucht: #di­dit­fort­he­gram. Ent­span­nung? Weit ge­fehlt! Auf den Bil­dern sieht es wie Spaß aus, in Wirk­lich­keit aber sind die Auf­nah­men viel­fach vor al­lem har­te Ar­beit. Mit leicht ver­dien­tem Geld hat das al­les je­den­falls rein gar nichts mehr zu tun.

Dar­über kann man lä­cheln. Schließ­lich ha­ben sich In­flu­en­cer ihre Tä­tig­keit selbst aus­ge­sucht. Sie er­hal­ten viel Auf­merk­sam­keit und An­er­ken­nung von ih­ren Fans und Fol­lo­wern und sie ver­die­nen mehr als ge­nug, wenn man glau­ben darf, was man so liest. Aber so ein­fach ist es nicht. Eben weil es für die meis­ten nicht als klas­si­scher Be­ruf, son­dern als Hob­by be­ginnt, sind die An­for­de­run­gen und mög­li­chen Pro­ble­me für vie­le zu Be­ginn über­haupt nicht ab­seh­bar. Dar­über, was es be­deu­tet, selbst­stän­dig zu sein, ma­chen sich die meis­ten am An­fang gar kei­ne Ge­dan­ken. Ganz über­ra­schend und plötz­lich kön­nen sich dann Exis­tenz­sor­gen und Ab­hän­gig­kei­ten ent­wi­ckeln, in die man viel­leicht nie­mals hat­te ge­ra­ten wol­len. Und mit der An­er­ken­nung durch die Fans geht auch eine gro­ße Ver­ant­wor­tung ein­her, der man ge­wach­sen sein muss. In der öf­fent­li­chen De­bat­te wer­den die­se As­pek­te nur sehr sel­ten dis­ku­tiert, denn das The­ma wird ta­bui­siert. Auf der Sei­te der In­flu­en­cer sitzt die Angst vor ei­nem Image­scha­den tief und auf der an­de­ren Sei­te herr­schen vor al­lem Un­wis­sen­heit oder Igno­ranz vor. Jüngst hat eine be­kann­te Ber­li­ner Mo­de­blog­ge­rin ei­nen Ar­ti­kel über ihr be­ruf­li­ches Schei­tern, ihre Zu­kunfts­angst und ihr Bur­nout ge­schrie­ben. Für ihre Of­fen­heit gab es viel Zu­spruch, sie ern­te­te aber auch Un­ver­ständ­nis, Spott und Häme.

Vie­le ma­chen aus Angst vor ei­nem Image­ver­lust lie­ber gute Mie­ne zum bö­sen Spiel als über ihre Sor­gen und Pro­ble­me zu spre­chen. Foto: Syd­ney Sims, Quel­le, Li­zenz: Uns­plash-Li­zenz

Wenn die­se Sei­te ei­ner In­flu­en­cer-Exis­tenz aber nicht the­ma­ti­siert wer­den kann, bleibt das Bild un­rea­lis­tisch. Des­halb ha­ben wir nach In­flu­en­cer ge­sucht, die kein Blatt vor den Mund neh­men und uns hin­ter den Vor­hang bli­cken las­sen. Wir ha­ben mit ih­nen über Mo­ti­ve, Er­folg und ihre Mei­nung über die Bran­che ge­spro­chen.

Pro­fes­sio­na­li­sie­rung ei­nes Hob­bys

Letz­tes Jahr hat­te ich das Ge­fühl, dass mir al­les über den Kopf wächst. Ich war über­for­dert und ver­zwei­felt und habe ‘das al­les’ ein­fach nicht mehr auf die Rei­he be­kom­men. Ich woll­te es mir nicht ein­ge­ste­hen, aber ich stand kurz vorm Bur­nout, viel­leicht war ich auch mit­ten­drin und es gab vie­le Trä­nen. Ich konn­te ein­fach nicht mehr. Ich hat­te das Ge­fühl ich fal­le ein­fach aus­ein­an­der und viel zu oft über­kommt mich das Ge­fühl noch im­mer.“ Mit die­sen Wor­ten lei­te­te die be­kann­te Blog­ge­rin und In­flu­en­ce­rin Ma­sha Sedgwick kürz­lich ei­nen Blog­ar­ti­kel ein, in dem sie ihre be­ruf­li­chen Feh­ler ein­ge­stand und ihre Angst vor der Zu­kunft zum Aus­druck brach­te. Da­mit brach­te sie eine Dis­kus­si­on un­ter ih­ren Le­sern und an­de­ren Blog­gern ins Rol­len, die noch vor we­ni­gen Jah­ren un­denk­bar ge­we­sen wäre. Bis zu die­sem Zeit­punkt hat­ten sich die meis­ten näm­lich beim bes­ten Wil­len nicht vor­stel­len kön­nen, dass Blog­gen und die Prä­senz auf So­ci­al-Me­dia-Platt­for­men wie In­sta­gram oder You­Tube ein­mal zu ei­nem ernst­zu­neh­men­den Be­ruf wer­den wür­de, der mit so viel Ar­beit ver­bun­den sein kann, dass so­gar die Dia­gno­se Bur­nout im Raum steht. Vie­le ha­ben gar nicht be­merkt, dass die Bran­che mitt­ler­wei­le nicht mehr in ihre Kin­der­schu­he passt, und wa­ren des­halb von der Re­fle­xi­on über die Wachs­tums­schmer­zen ziem­lich über­rascht.

Mit der Pro­fes­sio­na­li­sie­rung der Bran­che stei­gen die An­for­de­run­gen und das Ar­beits­pen­sum. Foto: Jor­dan Whit­field, Quel­le, Li­zenz: Uns­plash-Li­zenz

Die ei­ge­ne Per­son als Mar­ke und Al­les­kön­ner

Vie­le Blog­ger und In­flu­en­cer emp­fin­den durch die Pro­fes­sio­na­li­sie­rung der Bran­che ei­nen zu­neh­men­den Druck. Denn die Ver­ant­wor­tung ge­gen­über ih­ren Ko­ope­ra­ti­ons­part­nern und ih­ren Fol­lo­wern wächst schnell. Auch Ste­fa­nie* kennt das Ge­fühl. Ob­wohl sie sich be­reits lan­ge vor ih­rem Schritt in die Selbst­stän­dig­keit mit dem The­ma be­fasst hat­te, war sie sich nicht dar­über im Kla­ren, was mit die­sem Schritt tat­säch­lich auf sie zu­kom­men wür­de: „Ich ent­schied mich letzt­end­lich an ei­nem Wo­chen­en­de dazu, mei­nen Blog haupt­be­ruf­lich zu füh­ren. Vor­her habe ich aber die wich­tigs­ten As­pek­te ge­nau ana­ly­siert und mir ei­nen Fra­gen­ka­ta­log er­stellt, um mir ei­nen bes­se­ren Über­blick zu ver­schaf­fen, ob ich es wirk­lich wa­gen soll.“ Das ist nun 3 Jah­re her. Bis da­hin hat­te Ste­fa­nie ih­ren Blog als Hob­by be­trie­ben und in Voll­zeit als Mo­de­re­dak­teu­rin ge­ar­bei­tet. Doch mit der Zeit wur­de die Ar­beit, die sie in ih­ren Blog und ih­ren In­sta­gram-Ac­count in­ves­tier­te, zu auf­wän­dig, um sie ne­ben­bei zu schaf­fen.

An­fangs habe ich ge­zwei­felt, denn ei­gent­lich bin ich je­mand, der Si­cher­heit braucht und Ri­si­ken lie­ber mei­det. Mit der Un­si­cher­heit zu­recht­zu­kom­men ist auch die größ­te Her­aus­for­de­rung für mich. Schließ­lich kann es sehr schnell ein­fach wie­der vor­bei sein. Manch­mal den­ke ich, es wäre nicht schlecht, trotz­dem ein zwei­tes Stand­bein zu ha­ben, auch wenn es ge­ra­de gut läuft. Mo­men­tan habe ich aber lei­der ein­fach kei­ne Zeit, um mich dar­um zu küm­mern“. Sie ver­rät uns, dass die An­for­de­run­gen sie manch­mal ziem­lich über­for­dern. Das kom­me vor al­lem durch die Kom­bi­na­ti­on der vie­len un­ter­schied­li­chen Auf­ga­ben­be­rei­che, die sie nur schlecht out­sour­cen kann. Nie­mand kön­ne zum Bei­spiel ein­sprin­gen, wenn Fo­tos für Ko­ope­ra­tio­nen ge­schos­sen wer­den sol­len, weil sie selbst die Mar­ke ist, die sie im­mer wie­der in ih­ren Posts ver­kau­fen muss. Da­durch gebe es für sie auch kei­ne fes­ten Ar­beits­zei­ten, kei­ne Fei­er­ta­ge, kei­nen re­gu­lä­ren Ur­laub. „So viel Spaß mir der Blog und mein In­sta­gram-Ac­count auch macht – das geht an die Sub­stanz“, sagt sie.

Con­tent, Fans und Ko­ope­ra­tio­nen — all das kann ei­nem schon mal über den Kopf wach­sen. Foto: Caio Jhon­ny, Quel­le, Li­zenz: CC BY 2.0

Auch für Oli­via* stellt der Um­fang der Auf­ga­ben, die er­le­digt wer­den müs­sen, um stän­dig neu­en Con­tent zur Ver­fü­gung zu ge­ne­rie­ren, das größ­te Pro­blem dar. Mit dem Druck, den sie da­bei er­lebt, müs­se sie aber al­lein klar kom­men: „Man ist ein All­roun­der. In re­gu­lä­ren Re­dak­tio­nen wer­den bis zu 6 Stel­len für die ver­schie­de­nen Ar­beits­be­rei­che ein­ge­setzt. Als Blog­ger ist man al­les in ei­nem – Tex­ter, Sty­list, Bild­re­dak­teur, PR-Ab­tei­lung, Schluss­re­dak­ti­on und Mo­del. Und um den Fo­to­gra­fen muss man sich na­tür­lich auch küm­mern.“

Auf Hil­fe kann man als In­flu­en­cer nicht im­mer zäh­len. Wenn man selbst die Mar­ke ist, muss man vie­les sel­ber ma­chen. Foto: Quel­le, Li­zenz: CC0 Crea­ti­ve Com­mons

Oli­via ar­bei­tet zwar noch in ei­ner PR-Agen­tur, aber sie plant be­reits ih­ren Schritt in die Selbst­stän­dig­keit als Blog­ge­rin. Seit sechs­ein­halb Jah­ren ist sie nun schon bei In­sta­gram ak­tiv, wo sie mitt­ler­wei­le knapp 70.000 Fol­lo­wer hat. Vor etwa vier Jah­ren kam ihr Blog dazu. Sie sei sich be­wusst, dass die Ver­ant­wor­tung, die sie tra­gen muss, durch ih­ren Schritt in die Selbst­stän­dig­keit deut­lich grö­ßer wer­den wird. Das wür­de sie aber in Kauf neh­men, denn die ge­won­ne­ne Frei­heit ste­he für sie im Vor­der­grund. „Bei Ko­ope­ra­tio­nen muss ich na­tür­lich auch Dead­lines und Brie­fings ein­hal­ten – aber zu­min­dest wäh­le ich selbst aus, wel­che Ko­ope­ra­tio­nen ich ein­ge­he.“

Nine to Five? Eher 24–7!

Aber nicht nur für Ko­ope­ra­ti­ons­part­ner müs­sen Blog­ger und In­flu­en­cer re­gel­mä­ßig ab­lie­fern, auch die Le­ser und Fol­lo­wer wol­len bei Lau­ne ge­hal­ten wer­den. Denn das Pu­bli­kum kann sehr schnell das In­ter­es­se ver­lie­ren. Sprin­gen die Fans ab, ver­liert das Ein-Mann-Un­ter­neh­men so­fort an Wert, weil Fol­lo­wer bzw. Le­ser das Ka­pi­tal ei­nes In­flu­en­cers sind. Da­mit das nicht pas­siert, müs­sen die So­ci­al-Me­dia-Ka­nä­le, vor al­lem In­sta­gram, rund um die Uhr be­spielt wer­den. In­flu­en­cer müs­sen non-stop on­line ak­tiv sein, sich in Sze­ne set­zen, in­ter­agie­ren.

Lan­ge Ar­beits­zei­ten statt Work-Life-Ba­lan­ce. Denn das In­ter­net schläft nicht. Foto: Vic­to­ria Heath, Quel­le, Li­zenz: Uns­plash-Li­zenz

Für Kim* wäre das ein zu star­ker Ein­griff in ihr so­zia­les Le­ben und in ihre Pri­vat­sphä­re. „Auch wenn ich sehr viel Spaß am Blog­gen und an In­sta­gram habe, könn­te ich mir nicht vor­stel­len haupt­be­ruf­lich Blog­ger zu sein. So­bald ich da­von wirk­lich kom­plett fi­nan­zi­ell ab­hän­gig wäre, wür­de der Spaß wohl ver­lo­ren ge­hen“, sagt sie. Sie be­treibt ih­ren In­sta­gram-Ac­count nur ne­ben­bei, ver­dient sich da­durch ab und zu et­was dazu, um ihre Stu­den­ten­kas­se auf­zu­bes­sern. „Mir wäre es au­ßer­dem vor mei­nen Freun­den und Be­kann­ten un­an­ge­nehm, im­mer on­line prä­sent sein zu müs­sen und mich selbst zu in­sze­nie­ren. Sie wür­den es nicht ver­ste­hen, wenn ich sie stän­dig fra­gen wür­de, ob sie von mir Fo­tos ma­chen oder Vi­de­os auf­neh­men kön­nen. In ih­rer Ge­gen­wart wür­de ich das auch selbst nicht ma­chen. Da­durch wür­de mein gan­zes so­zia­les Le­ben zu stark be­ein­flusst wer­den.“

Un­si­cher­hei­ten, Exis­tenz­ängs­te und Sor­gen um die Pri­vat­sphä­re

Pau­li­na* ist es wich­tig, in ih­ren Bei­trä­gen ihre Per­sön­lich­keit au­then­tisch zum Aus­druck zu brin­gen. Ich möch­te auf mei­nem Pro­fil Din­ge pos­ten, die mir ge­fal­len und die mich be­schäf­ti­gen, nicht nur, was die Mas­se se­hen möch­te“, sagt sie. Sie sei in die Rol­le hin­ein­ge­wach­sen. Schon vor acht Jah­ren habe sie mit dem Blog­gen be­gon­nen, da­mals mit dem Ziel, Freun­de und Fa­mi­lie über ihr Aus­tau­sch­jahr in Pa­ra­gu­ay auf dem Lau­fen­den zu hal­ten. Mit der Zeit wur­de ihr Blog im­mer be­lieb­ter und wie vie­le an­de­re, leg­te auch sie sich ein Pro­fil bei In­sta­gram an. Mitt­ler­wei­le hat sie dort über 120.000 Fol­lo­wer. Trotz­dem weiß sie noch nicht, ob sie die­sen be­ruf­li­chen Weg auch wei­ter­hin ge­hen wird: „Mir ist die Si­tua­ti­on auf dem Ar­beits­markt und die gro­ße Kon­kur­renz zu un­si­cher, um eine Zu­kunft dar­auf auf­zu­bau­en.“ Ihr Blog und ihre Ko­ope­ra­tio­nen auf In­sta­gram sei­en mo­men­tan ihre Haupt­ein­nah­me­quel­len, aber sie sei wei­ter­hin auf der Su­che „nach ei­nem rich­ti­gen Job.“ Für sie gibt es „vie­le Schat­ten­sei­ten der Bran­che, die man nicht von aus­sen sieht. Die meis­te Zeit läuft bei mir al­les ziem­lich pro­vi­so­risch ab und ich ver­su­che ein­fach nur hin­ter­her­zu­kom­men. Ich hat­te schon ei­ni­ge schlaf­lo­se Näch­te – vor al­lem, wenn es um Pro­ble­me geht, die ich nicht selbst lö­sen kann. Tech­ni­sche Feh­ler beim Blog zum Bei­spiel.”

Das nicht im­mer al­les ro­sig ist, wis­sen pro­fes­sio­nel­le In­flu­en­cer aus Er­fah­rung. Foto: en​er​ge​pic​.com, Quel­le, Li­zenz: CC0 Crea­ti­ve Com­mons

Für Pau­li­na ist es kein Traum­be­ruf. Sie sagt, dass es auch Si­tua­tio­nen gebe, in de­nen sie es be­reue, eine In­flu­en­ce­rin zu sein. Zum Bei­spiel, wenn sie beim Fo­to­shoo­ting für eine Ko­ope­ra­ti­on von Pas­san­ten aus­ge­lacht oder so­gar an­ge­pö­belt wer­de: „Vie­le ma­chen sich dann dar­über lus­tig. Man wird nicht ernst ge­nom­men.“ Au­ßer­dem habe sie Angst vor Stal­king. Nach­dem sie Bil­der in ei­ner Ne­ben­stra­ße ih­res Wohn­vier­tels ge­macht hät­te, habe ein Fol­lo­wer ihr eine Nach­richt bei In­sta­gram ge­schickt: Er habe sie be­ob­ach­tet und wür­de nun wis­sen, wo sie woh­ne. Seit­dem ach­te sie mehr dar­auf, was sie wann pos­tet, sagt Pau­li­na: „Bei In­sta­gram Sto­ries lade ich meis­tens so­gar Bil­der und Vi­de­os erst ei­nen Tag spä­ter hoch, weil man sonst dar­in er­kennt, wo ich mich ge­ra­de auf­hal­te.“

Auch für Ste­fa­nie stellt der Schutz ih­rer Pri­vat­sphä­re be­son­ders bei In­sta­gram ein Pro­blem dar. Ein­bli­cke in das ei­ge­ne Le­ben ge­hör­ten dazu, da­mit Fol­lo­wer über­haupt eine Bin­dung auf­bau­en kön­nen, sagt sie: „Es ist wich­tig, dass man ei­nen en­gen Kon­takt zu sei­ner Com­mu­ni­ty hat und so­mit auch glaub­wür­di­ger rü­ber­kommt.“ Bis­her gab es bei ihr aber noch kei­ne Si­tua­ti­on, in der sie es wirk­lich be­reut hät­te, sich für die­se Bran­che ent­schie­den zu ha­ben, denn ihr Be­ruf sei gleich­zei­tig ihre Lei­den­schaft. „Ich den­ke, dass je­der Blog­ger ir­gend­wann an den Punkt kom­men wird, an dem er sich ent­schei­den muss. Sieht man In­sta­gram nur als Hob­by und be­lässt es auch da­bei, oder macht man sich das Blog­gen zum Full-Time-Job. Eine an­de­re Mög­lich­keit wird es, den­ke ich, nicht ge­ben, da ein In­sta­gram Ac­count viel Zeit und Mühe be­nö­tigt. Man muss be­reit sein, viel Zeit da­für zu ver­wen­den und Spaß dar­an ha­ben. Also wie­so soll­te ich nicht mein Hob­by – das was ich wirk­lich lie­be und schon im­mer ge­liebt habe – zu mei­nem Be­ruf ma­chen? Das ein­zi­ge, was mir Kopf­zer­bre­chen be­rei­tet, ist die fi­nan­zi­el­le Un­si­cher­heit. Da habe ich tat­säch­lich manch­mal Exis­tenz­angst. Und mitt­ler­wei­le fin­de ich es auch schwer, ver­läss­li­che Quel­len zu be­kom­men, was die recht­li­chen Re­ge­lun­gen be­trifft. Das ist noch ziem­lich chao­tisch. Man kann sich leicht straf­bar ma­chen, wenn man be­stimm­te Vor­schrif­ten nicht be­ach­tet. Zur Si­cher­heit habe ich mir auch ein fi­nan­zi­el­les Pols­ter an­ge­spart, an das ich nicht ran­ge­he und das nur für den Not­fall ge­dacht ist. Letzt­end­lich ist man als Voll­zeit-Blog­ger zu 100% für sich selbst ver­ant­wort­lich und muss mit ei­ner ge­wis­sen Un­si­cher­heit le­ben.“

Kon­kur­renz­kampf und El­len­bo­gen­men­ta­li­tät

Laut Oli­via sei die Kon­kur­renz groß und der Markt „so lang­sam auch echt sehr über­sät­tigt.“ Man müs­se sich im­mer wie­der neu er­fin­den und krea­tiv und in­di­vi­du­ell sein, weil man sonst schnell lang­wei­lig und von an­de­ren über­holt wür­de. Da­bei sei man im­mer wie­der vor al­lem auf sich al­lein ge­stellt, da man sel­ten Part­ner habe, die neue Denk­an­stö­ße bei­tra­gen oder bei Ent­schei­dun­gen Tipps ge­ben könn­ten. Ne­ben dem Kon­kur­renz­kampf er­le­be sie des­halb auch “Stu­ten­bis­sig­keit”, ins­be­son­de­re wenn bei ”gro­ßen Events wie z.B. bei der Fa­shion Week dann alle auf­ein­an­der tref­fen. Ich habe da auch schon Si­tua­tio­nen er­lebt, die nicht so schön wa­ren und wo mit un­fai­ren Mit­teln, zum Bei­spiel mit der fal­schen An­ga­be von Fol­lo­wer-Reich­wei­ten, um den bes­ten Platz ge­kämpft wur­de. Die Mo­de­bran­che ist knall­hart und teil­wei­se sehr ober­fläch­lich.” Trotz­dem, sagt sie, kön­ne sie gut da­mit um­ge­hen und set­ze auf Qua­li­tät: „Aber ich den­ke, dass man das durch gute und qua­li­ta­ti­ve Ar­beit schafft. Ich glau­be fest dar­an, dass alle, die gute Ar­beit leis­ten, auf dem Markt über­le­ben und wei­ter­hin Jobs be­kom­men. Mit der Zeit trennt sich die Spreu vom Wei­zen, das ist eine ganz na­tür­li­che Aus­le­se.”

Soll ich? Oder soll ich nicht? Das ra­ten un­se­re In­flu­en­cer

Was emp­feh­len In­flu­en­cer de­nen, die ge­ra­de da­bei sind, ihr Hob­by zu pro­fes­sio­na­li­sie­ren, vor die­sem Hin­ter­grund? Für Oli­via bleibt es auch in die­sem Fall das Wich­tigs­te, „Spaß an der Sa­che zu ha­ben. Das sieht man dann auch beim Blog und auf dem In­sta­gram-Ka­nal. Da­durch kann man Fol­lo­wer und neue Le­ser be­kom­men und sei­nen Traum wahr ma­chen.“

Für Kim ist ein so­zia­les Um­feld wich­tig, auf das man sich ver­las­sen kann und das für den nö­ti­gen Aus­gleich sorgt: Es sei wich­tig, Men­schen um sich zu ha­ben, mit de­nen man ab­schal­ten und über an­de­re Din­ge re­den kön­ne als über Fol­lo­wer und Ko­ope­ra­tio­nen. Au­ßer­dem „ist es wich­tig, sich in der Bran­che ei­nen Na­men zu ma­chen, Net­wor­king zu be­trei­ben und Kun­den von sich und von sei­ner Ar­beit zu über­zeu­gen. Das Ge­samt­pa­ket muss stim­men. Das un­ter­schät­zen vie­le am An­fang, denn es ist mit sehr viel Ar­beit ver­bun­den.“

Laut Ste­fa­nie müs­se man zu­erst für sich selbst klä­ren, wel­che Kri­te­ri­en im Hin­blick auf den ei­ge­nen Er­folg aus­schlag­ge­bend sein sol­len: „Für mich per­sön­lich ist ein Blog­ger bzw. In­flu­en­cer be­ruf­lich er­folg­reich, wenn er es ge­schafft hat, sich mit sei­nem Blog selbst zu ver­wirk­li­chen und ne­ben­bei das Glück hat, da­von le­ben zu kön­nen. Das macht sich nicht al­les nur an der Reich­wei­te, an der Auf­trags­men­ge oder am Ein­kom­men fest.“ Ein er­folg­rei­cher Blog­ger müs­se sei­nen Markt­wert ken­nen und gleich­zei­tig sei­ne Mit­be­wer­ber im Blick ha­ben. Aber da­bei sol­le man sich nicht zu stark ver­glei­chen, denn sonst „setzt man sich selbst un­nö­tig un­ter Druck und steht sich selbst im Weg, weil man den Fo­kus für die wirk­lich wich­ti­gen Din­ge ver­liert.“

In je­dem Fall sei es wich­tig, sein Image nicht für ei­nen kurz­fris­ti­gen Er­folg zu ris­kie­ren und für Be­trag X sei­ne Au­then­ti­zi­tät auf’s Spiel zu set­zen: „Das Wich­tigs­te ist, sich selbst treu zu blei­ben. Man soll­te mor­gens glück­lich und ger­ne auf­ste­hen, weil man sich mit dem, was man macht, iden­ti­fi­zie­ren kann. Dann sind Zei­ten, in de­nen es mal nicht so gut läuft, auch nicht so schlimm. Ver­gesst au­ßer­dem nicht: jede Nie­der­la­ge ist auch eine neue Chan­ce. Die Chan­ce um­zu­den­ken, aus Feh­lern zu ler­nen und neue Er­fah­run­gen zu sam­meln, um es dann bes­ser zu ma­chen. Lasst euch nicht un­ter­krie­gen und ver­folgt eure Lei­den­schaft. Aber ver­liert eure Per­sön­lich­keit nicht für das schnel­le Geld und bleibt rea­lis­tisch“.

So­ci­al In­ter­ac­tions ge­ne­rie­ren: Für pro­fes­sio­nel­le In­flu­en­cer wich­tig — soll­te aber nicht zum Selbst­zweck wer­den. Gra­fik: Frame vec­tor crea­ted by Alicia_​mb — Freepik​.com, Quel­le

Pau­li­na rät dazu, im Vor­feld gründ­lich über die ei­ge­nen Mo­ti­ve nach­zu­den­ken: „Als ers­tes wür­de ich emp­feh­len, sich selbst zu hin­ter­fra­gen und zu über­le­gen, war­um man das Gan­ze ma­chen will. Wenn es rein fi­nan­zi­el­le oder ma­te­ri­el­le Grün­de sind, dann wür­de ich da­von ab­ra­ten. Nur wenn je­mand für sei­ne Sa­che brennt, wird er lang­fris­tig gut dar­in sein, egal ob er es nur als Hob­by be­trei­ben möch­te oder Grö­ße­res an­strebt. Au­ßer­dem soll­te man mitt­ler­wei­le ein Al­lein­stel­lungs­merk­mal ha­ben und sich vor­her ein Kon­zept über­le­gen, das sich von an­de­ren un­ter­schei­det. Ein ro­ter Fa­den auf den So­ci­al-Me­dia-Ka­nä­len macht Sinn, aber man darf sich von In­sta­gram und Co nicht zu ab­hän­gig ma­chen. Der Hype kann ge­nau­so schnell vor­bei sein, wie er da war. Des­we­gen soll­te man sich auch fi­nan­zi­ell vor­her ab­si­chern oder ei­nen Plan B ha­ben. Ich den­ke, ir­gend­wann wird die Blog­ger- und In­flu­en­cer­bla­se plat­zen und dann wird man se­hen, was pas­siert und wie sich der Markt neu formt und de­fi­niert.“

Was die Zu­kunft bringt

In wel­che Rich­tung sich die In­flu­en­cer-Bran­che tat­säch­lich ent­wi­ckeln wird, ist mo­men­tan schwer ab­zu­schät­zen. Wäh­rend sich die In­flu­en­cer ih­rer Me­dia- und Krea­tiv­leis­tung zu­neh­mend stär­ker be­wusst wer­den, ler­nen auch Un­ter­neh­men im­mer bes­ser, wie sie In­flu­en­cer-Mar­ke­ting op­ti­mal in ih­ren Mar­ke­ting-Mix in­te­grie­ren kön­nen. Man­che In­flu­en­cer ent­las­ten sich da­durch, dass sie auf die Leis­tun­gen von Ver­mitt­lern und Ma­nage­ment-Agen­tu­ren zu­rück­grei­fen, die seit ei­ni­gen Jah­ren wie Pil­ze aus dem Bo­den schie­ßen. Das kann hilf­reich sein, aber auch die in­di­vi­du­el­len Frei­hei­ten be­schrän­ken, weil die Ori­en­tie­rung am Pro­fit dann mög­li­cher­wei­se stär­ker in den Vor­der­grund tritt. Et­was Er­leich­te­rung wür­den auf je­den Fall ein­deu­ti­ge­re recht­li­che Re­ge­lun­gen und Richt­li­ni­en schaf­fen, zum Bei­spiel im Hin­blick auf die Kenn­zeich­nungs­pflicht. Denn Un­klar­hei­ten ge­hö­ren im­mer noch zu den häu­figs­ten Trig­gern für Über­for­de­rung.

Au­toren: Lara Brock­haus und Ste­phan Früh­wirt

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2018-05-04T16:43:39+02:00Freitag, Mai 4, 2018|Categories: Marketing|Tags: , , , |0 Comments

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