Im Wettlauf um lukrative Kooperationen und Werbedeals mit Unternehmen ist eine hohe Reichweite scheinbar erfolgskritisch. Deshalb helfen immer mehr Instagram-Nutzer mit gekauften Followern nach. Aber lohnt sich das? Und welche Risiken sind damit verbunden? Wir gehen diesem Phänomen auf den Grund und sprechen mit einem Unternehmen, das Follower zum Schnäppchenpreis anbietet.
Influencer Marketing boomt. Aller Krisenphänomene zum Trotz und entgegen der Befürchtungen im Hinblick auf die Kennzeichnungspflicht wächst die Branche unbeeindruckt weiter. Mediakix, eine der führenden US-amerikanischen Influencer-Agenturen, hat die Zahl der gesponserten Instagram-Posts des Jahres 2017 analysiert und schätzt, dass Werbetreibende in diesem Jahr ca. 1 Mrd. US-Dollar für Influencer-Marketing ausgegeben haben. Seitdem hat sich die Zahl der gekennzeichneten Posts (#ad #sponsored #spon) auf über 24 Mio. verdoppelt. Werbung mit einflussreichen Social-Media-Größen ist eines der am schnellsten wachsenden Marketing-Instrumente. Bis 2020 könnte der Markt einen Wert von fünf bis zehn Mrd. US-Dollar haben.
Fake it till you make it — der schnelle Weg zum Ruhm
Natürlich ist das ein reizvoller Kuchen, von dem viele gerne ein Stück abhaben wollen. Die Möglichkeit, mit dem eigenen Account Geld zu verdienen oder für seine Leistungen mit tollen Produkten belohnt zu werden, übt auf viele eine große Anziehungskraft aus. Gerade auch für diejenigen, für die Instagram nicht mehr nur ein Hobby, sondern vielleicht schon zur Passion geworden ist, weil dadurch zu all dem Spaß und dem positivem Feedback auch noch eine ganze Menge Mühe und Disziplin hinzugekommen sind.
Instagramer ist man aus Leidenschaft! Aber viele wünschen sich, dass das positive Feedback nicht der einzige Profit bleibt, den sie aus ihren Mühen ziehen können. Foto: Kristina Flour, Quelle, Lizenz: Unsplash-Lizenz
Das kleine Problem dabei: Die lukrativen Kooperationen sind normalerweise erst ab einer gewissen Reichweite realisierbar. Denn viele Unternehmen scheinen nur auf die Follower-Zahlen zu achten. Laut der Bloggerin Melli Marble ist das leider die gängige Praxis, selbst bei Kooperationen, die sich nicht nur auf Instagram, sondern auch auf Blogs beziehen: „Alle Blogger, die sich für ein Projekt bewerben”, und nicht die entsprechenden Follower-Zahlen haben, “fliegen beim ersten Blick auf die Zahl ganz oben im Instagram-Profil direkt raus. Ob der Blog vielleicht viel mehr Seitenaufrufe und Unique Visitors im Monat besitzt, als die Konkurrenz, ist an dieser Stelle irrelevant“. Für die Bilderplattform Instagram gilt dabei eine Marke von 20.000 Followern als Standard. Bei größeren Vereinbarungen geht es laut Melli Marble „[…] häufig nicht unter 50k, 100k oder 200k“.
Ein bisschen Star muss sein: Erst wenn man mit seiner Anhängerschaft Konzerthallen füllen könnte, kommt man für viele Unternehmen als Kooperationspartner in Frage. Foto: Joseph Pearson, Quelle, Lizenz: Unsplash-Lizenz
Leider wird man aber nicht von heute auf morgen zum Instagram-Star. Die Ansprüche der Follower an den Content sind hoch, ein erfolgreicher Instagram-Kanal liefert nicht einfach nur wunderschöne Hochglanz-Fotos, sondern letztlich Erlebnisse. Über die Wahrnehmungsnähe, die mit den Bildern verbunden ist, öffnet Instagram das Fenster in eine andere Welt, in der das Lebensgefühl anderer erfahrbar wird. Diese Erwartungen zu erfüllen, ist nicht einfach. Nur wer dazu bereit ist, aus positivem und negativem Feedback zu lernen und sich so auf die Bedürfnisse der Instagram-Nutzer einzustellen, hat die Chance, sich von der Masse der Accounts abzuheben und Reichweite zu generieren. Aber das braucht Zeit. Es ist meist ein langer Weg aus der Nische des Long Tails in die Riege der Stars — organisches Wachstum dauert.
Genau das verführt seit einiger Zeit immer mehr Instagram-Nutzer dazu, dem eigenen Erfolg auf die Sprünge zu helfen und die Zahlen durch den Zukauf von Followern künstlich zu erhöhen. Die entsprechenden Angebote sind leicht zu finden. Die Versprechen der Anbieter adressieren eben jene Hoffnung auf den eigenen Erfolg und die Ungeduld, die dabei entsteht, wenn sie sich nicht sofort erfüllt.
Nicht jeder Instagramer hat die Geduld, um auf seinen Erfolg zu warten. Foto: Alice Donovan Rouse, Quelle, Lizenz: Unsplash-Lizenz
Offenbar funktioniert diese Praxis sogar. In einem Test hat mediakix das Modell ausprobiert: Für zwei extra zu diesem Zweck eingerichtete Instagram-Accounts wurden Follower, Kommentare und Likes gekauft. Eines der Profile war auf Lifestyle- und Fashion-Themen ausgerichtet, mit dem anderen fingierte man eine Reise- und Abenteuerfotografin. Dann registrierten sich die falschen Influencer bei diversen Vermittlungsagenturen. Und siehe da: Der Erfolg ließ nicht lange auf sich warten. Der Mode-Account schloss einen Deal mit einem Hersteller für Badeanzüge sowie mit einem nationalen Lebensmittelhersteller ab. Diesen überzeugte auch die Reisefotografin, die zusätzlich eine Kooperation mit einer Alkohol-Marke vereinbarte. Dabei wurden den vermeintlichen Influencern entweder ein finanzieller Ausgleich, kostenlose Produkte oder sogar beides angeboten.
Per Mausklick zum Erfolg – Tendenz zum Faken nimmt zu
Wie gängig der Follower-Kauf mittlerweile ist, zeigt auch eine Schweizer Studie aus dem Jahr 2017. Die Redaktion von SRF Data überprüfte 115 Schweizer Instagram-Influencer sowie deren sieben Mio. Follower. Das Ergebnis: „Ein Reihe von Influencern haben mehr als 50 Prozent Fake Follower, während die grosse Mehrheit weniger als 25 Prozent hat“. Zum Teil liegt der Fake-Follower-Anteil sogar bei über 75%. Alle untersuchten Influencer wurden von SRF Data um eine Stellungnahme gebeten. Die meisten Influencer mit einem geringen Fake-Follower-Anteil konnten sich nicht erklären, wo diese Fake-Profile herkommen.
Manche verwiesen auf Spam-Follower-Wellen und Fake-Bots, gegen die sie selbst aber nichts tun könnten. Diejenigen mit vielen Fake Followern äußerten sich dagegen kaum.
Fake Follower? Nie davon gehört! Foto: Aneta Pawlik, Quelle, Lizenz: Unsplash-Lizenz, bearbeitet
Natürlich hat letztlich keiner der untersuchten Influencer offen zugegeben, Follower gekauft zu haben. Laut SRF Data lässt sich nicht ermitteln, „[w]oher die falschen Follower stammen und wer für sie verantwortlich ist“. Für SRF Data steht jedoch fest: „Die Influencer-Szene hat ein Fake-Problem – manche mehr, andere weniger“.
Und das Problem betrifft mittlerweile auch diejenigen, die mit dem organischen Wachstum eigentlich zufrieden und bislang nicht einmal auf die Idee gekommen sind, Follower zu kaufen. Denn wenn die Praxis tatsächlich so gängig ist, wie es scheint, könnten diejenigen, die keine Fake-Follower wollen, letztlich ins Abseits geraten.
Die alles entscheidende Frage ist aber: Lohnt sich das wirklich? Ist der Follower-Kauf sinnvoll, vielleicht sogar nachhaltig? Ob man auf der Jagd nach profitablen Deals ist, das eigene Ego boosten will oder einfach nicht den Anschluss verlieren möchte, wenn andere mit ihren Reichweiten davonziehen — eine Antwort darauf kann man nur finden, wenn man die Chancen und Risiken sorgfältig gegeneinander abwägt.
Kosten und Geschäftsbedingungen — das sind die Angebote
Hierfür ist es wichtig zu wissen, woher die vielen Follower, die man per Mausklick kaufen kann, eigentlich kommen und was sie kosten. Immer wieder ist im Zusammenhang mit Follower‑, Fan- oder Like-Zukäufen von dubiosen Dienstleistern ohne Impressum und dunklen Machenschaften hinter diesem Geschäft zu lesen. Aus diesem Grund haben wir uns zwei deutsche Anbieter und ihr Servicepaket einmal genauer angeschaut.
Eines der Unternehmen, das Follower-Pakete in unterschiedlichen Größenordnungen anbietet, ist Social Media Daily mit Sitz in Berlin. Die günstigste Variante sind 50 Follower für 3,90 EUR, die teuerste 10.000 Instagram-Follower für 129,00 EUR und der angebotene „Bestseller“ beinhaltet 1.000 Follower für 14,90 EUR. Die bestellten Follower sollen innerhalb von 1–3 Tagen „sicher & diskret“ geliefert werden. Wann genau und in welchen Tranchen bleibt dabei unklar, nach unseren Recherchen kommt die neue Anhängerschaft aber häufig auf einen Schlag. Leider hat man auf die Treue der gekauften Follower keinen Einfluss. Insbesondere die kurze Verweildauer und ein zügiges Entfolgen gehören zu den häufigsten Beschwerden der Nutzer auf Bewertungsportalen, wie beispielsweise Trustpilot.
Ob die Follower sich für den Content des Nutzers interessieren, ist bei dieser Art Dienstleistung offenbar auch unklar. In den FAQ’s schreibt das Unternehmen diesbezüglich klar: „Leider können wir keine Zielgruppen festlegen. Es kann natürlich mal vorkommen, dass ein Nutzer Interesse an Ihrem Profil hat. Aber das ist eher die Ausnahme als die Regel“. Das Unternehmen sieht im Follower-Kauf vor allem einen „kosmetischen Nutzen“. Durch die vielen Follower wird das eigene Profil interessanter und erscheint „folgenswerter, vorausgesetzt, Sie haben auch tolle Inhalte und viel Interaktion auf Ihren Bildern“. Unterm Strich heißt das: Der Instagram-Nutzer bekommt für sein Geld Follower aus aller Welt, die sich jedoch sehr wahrscheinlich nicht für das zugeteilte Profil interessieren und deshalb auch kein Interesse an einer längeren Beziehung mit dem Account haben. Bleibt die Frage, wie der Anbieter garantieren möchte, dass es sich nicht um Bots handelt, wenn er offenbar keinen direkten Einfluss auf die Fake Follower zu haben scheint.
Ob es sich bei einem gekauften Follower um einen echten Menschen oder einen Bot handelt, können die Instagramer nicht mit Sicherheit wissen. Foto: rawpixel.com, Quelle, Lizenz: Pexels License
Ein weiterer deutscher Anbieter ist Social-Media-Market (SMM) bzw. das Unternehmen LLK Influencer Marketing UG aus dem beschaulichen Kottweiler-Schwanden, einem Ort mit etwa 1.300 Einwohnern. Für 500 Follower zahlt man hier 7,20 EUR, für 50.000 Follower 314,00 EUR und 100.000 Follower gibt es zu einem Preis von 689,00 EUR (alle Preisangaben sind Netto-Preise). Auch hier sind die gekauften Follower-Profile „internationaler Herkunft“. Darin sehe man jedoch einen Vorteil. In den FAQ’s heißt es dazu: „Durch diesen internationalen Mix wird gewährleistet, dass dein Zuwachs von Fans so natürlich wie möglich aussieht. Denn deine neuen gekauften Follower schmiegen sich so perfekt in das internationale Umfeld von Instagram ein“. Darüber hinaus haben die gekauften Follower jeweils ein Profilbild, eigene Follower und Posts, weswegen sie „damit nicht als gekauft zu enttarnen“ sind. Und nicht nur das: Für den unauffällig aufsteigenden Insta-Star bietet man auch das „Instagram Follower Abo“ an, bei dem die Follower-Zahl über einen längeren Zeitraum kontinuierlich wächst.
Im Gespräch mit der „dunklen Seite“
Die Angaben lassen natürlich viele Fragen offen. Deshalb haben wir uns direkt an verschiedene Unternehmen gewandt, um Näheres über die gekauften Follower und das Geschäftsmodell zu erfahren. Allerdings scheint man ungern über das Geschäft zu sprechen: Nur eine einzige Anfrage wurde beantwortet und die Quelle möchte nicht genannt werden.
Im Zusammenhang mit den in Tauschnetzwerken registrierten Followern wollten wir wissen, wie man sicherstellen kann, dass diese Profile tatsächlich echten Menschen gehören und nicht einfach programmierte Bots sind. Hierauf erhielten wir die Antwort, man traue sich zu, dies einschätzen zu können. Darüber hinaus sei man sich sicher, dass es gar nicht möglich wäre, innerhalb der Tauschnetzwerke mit Bots zu arbeiten. Falls dies jedoch der Fall sein sollte, würde es sich sicherlich nur um einzelne Profile handeln, die „im Durchschnitt nicht mehr % ausmachen, als sie auch so auf Instagram unterwegs sind“. Leider konnten wir diese Aussage nicht weiter prüfen, da dieser Teil der Branche nicht nur Anfragen unbeantwortet lässt, sondern offenbar lieber gleich ganz im Verborgenen bleibt: Es war für uns nicht möglich, ein Tauschnetzwerk ausfindig zu machen, und das sei auch nicht überraschend, denn „[u]m einen guten Zugang zu solchen Netzwerken zu erhalten, bedarf es teilweise jahrelange Recherche und vor allem Arbeit.“ Man glaube deshalb nicht, dass Anbieter ihre Kontakte öffentlich nennen würden. Dies wirkt aus unserer Sicht nicht besonders seriös. Unserer Meinung nach gehört zu einem professionellen Angebot ein gewisses Maß an Transparenz über das Produkt, das hier ganz offensichtlich nicht gegeben ist. Die Anbieter werden wissen, warum.
Woher die Nutzer genau kommen, weiß man nicht. Die Branche gibt sich verschlossen. Foto: NeONBRAND, Quelle, Lizenz: Unsplash-Lizenz
Zur Frage, warum man seitens der Anbieter keinen Einfluss auf den Zeitraum zu haben scheint, über den die Fake Follower einem Account treu bleiben, sagte man uns: „Den Nutzern das Entfolgen zu verbieten würde das Ganze recht unattraktiv machen, da niemand mit seinem Account 7.500 Profilen folgen möchte“. Wie vielen Profilen diese Netzwerk-Follower durchschnittlich folgen, blieb an dieser Stelle erst einmal offen. Jedoch habe man die Problematik erkannt und arbeite bereits an einem „Premiumprodukt“, das hier gegen ein entsprechendes Entgelt Abhilfe schaffen soll.
Betont wurde außerdem, dass sich das Angebot explizit an private Instagram-Nutzer richte, die Follower „zum Spaß kaufen, um ihr Profil aufzuhübschen“. Der Follower-Kauf solle lediglich als eine „Starthilfe“ betrachtet werden, weil ein Instagram-Profil „durch eine hohe Anzahl bestehender Abonnenten Glaubwürdigkeit und Interesse suggeriert.“ Deshalb würde der Dienst häufig dazu genutzt, die 1.000-Follower-Marke zu erreichen. Dieser Hinweis ist wichtig, da unternehmerisch tätige Instagramer mit dem Zukauf unter Umständen gegen das Gesetz verstoßen würden. Deshalb sprach man sich auf unsere Nachfrage auch explizit dagegen aus, dass sich Instagram-Nutzer über das Angebot unfaire Vorteile verschaffen, „wie z.B. eine große Fanbase zu ‘kaufen’ und dann zahlreiche Kooperationen einzusammeln.“ Mit dem Angebot solle „lediglich der Weg zu einer guten Wachstumsrate verkürzt werden – analog zur Schlange vor einem Restaurant.“ Auf die Frage, ob das nicht die eigentliche Praxis beschönige, verwies man eher ausweichend auf den Unterschied „zwischen absoluten ‚Fake-Bot-Profilen‘ und […] tatsächlich echten Profilen“, wie man sie bei der Nutzung des Angebots geliefert bekäme. Zugekaufte, aber echte Profile seien „kaum etwas anderes, als würde man […] Werbung für sein Profil kaufen“. Dies sehen wir explizit anders. Ein wesentlicher Unterschied besteht schon eindeutig in der Transparenz der beiden Praktiken: Während Werbung ein kennzeichnungspflichtiges Marketing-Instrument ist, geht es beim Fake-Follower-Kauf um eine möglichst unauffällige Manipulation wichtiger Metriken für die Bewertung der Qualität von Accounts und Inhalten. Um beim Beispiel der Schlange vor dem Restaurant zu bleiben: Es wäre so, als würde man Leute dafür bezahlen, dass sie sich in einer Reihe vor das Restaurant stellen, um damit potenziellen Kunden ein hohes Interesse am Etablissement vorzugaukeln. Das ist keine Kosmetik, sondern Irreführung und muss aus unserer Sicht als problematisch eingestuft werden. Insgesamt wird das dem ohnehin durch Fake News und Datenskandalen gebeutelten Vertrauen in die Kommunikation über soziale Medien sehr wahrscheinlich nicht zuträglich sein, auch wenn es noch so euphemistisch umschrieben wird.
Fake Follower: Als würde man Menschen dafür bezahlen, vor dem eigenen Restaurant Schlange zu stehen. Foto: Lars Plougmann, Quelle, Lizenz: CC BY-SA 2.0
Außerdem darf man nicht vergessen, dass mit dem Zukauf von Followern keine Erfolgsgarantie verbunden ist. Wenn die “Starthilfe” keine Wirkung zeigt und sich das organische Wachstum nicht beschleunigt, muss man nämlich regelmäßig investieren, wenn man die Reichweite halten will. Die Bloggerin Anna hat in einem ihrer Beiträge einmal an einem Beispiel ausgerechnet, wie viel schon ein kleines bisschen erkaufter Ruhm dann kosten kann. Hier droht ein Teufelskreis: Spätestens, wenn die Fake-Follower das Weite suchen, muss man nachlegen. Sonst riskiert man einen Imageschaden bei den echten Followern.
Glaubwürdigkeitsverlust und Account-Sperre — der Einsatz ist hoch
Nun werden Kalkulierbarkeit und Transparenz vielleicht nicht für alle ausschlaggebend und Moral für den ein oder anderen etwas sein, das zwar gut klingt, aber keine Vorteile bringt. Trotzdem lohnt es sich, noch einmal nachzudenken, bevor das erste Follower-Paket bestellt wird. Denn das Geschäftsmodell birgt weitere Risiken für Influencer und solche, die es werden wollen. Das Werbeversprechen der Follower-Verkäufer, die Follower-Zahl werde „diskret“ und „unauffällig“ wachsen, ist natürlich vor allem deshalb wichtig, weil andere Nutzer sonst skeptisch werden. Maryam Lawal von Hootsuite warnt vor möglichen negativen Konsequenzen im Hinblick auf die eigene Glaubwürdigkeit und Authentizität: „Mit solchen Abkürzungen gefährden Sie die Integrität Ihrer Marke. Wenn Sie Instagram-Follower kaufen und Ihre echten Kunden das herausfinden, können Sie nicht mehr damit rechnen, dass man Ihnen vertraut“, schreibt Lawal.
Und einen Account genauer zu analysieren, ist für die Nutzer mit Hilfe der entsprechenden Tools mittlerweile durchaus möglich. Das bekannte InfluencerDB wird durch immer mehr Angebote, wie beispielsweise fakecheck, Buzzweb oder den Influencers Marketing Hub’s Audience Credibility Checker ergänzt. Ein Beispiel für einen entlarvten Möchtegern-Instagramer ist Tom Grond, dessen Profil von InfluencerDB unter die Lupe genommen wurde. Das Tool bewertet Accounts anhand eines „Audience Quality Scores“, in den Kriterien wie beispielsweise die Like-Frequenz einfließen. Das Ergebnis im Fall Gronds: Der „Audience Quality Score“ seines Accounts lag bei nur 26 Prozent. Damit haben 74 Prozent aller Instagram-Accounts im Vergleich eine „bessere Audience Quality“. Zum Vergleich: Echte Influencer (mit Einfluss) erreichen einen Wert von 80 bis 90 Prozent.
Aber nicht nur gegenüber den eigenen Followern ist das Faken mehr als eine bloße Gewissensfrage. Auch für Instagram selbst stellt der Follower-Kauf ein Problem dar, gegen das der Plattformbetreiber in Zukunft hart vorgehen will: „Wir nehmen Spam und anderes missbräuchliches Verhalten sehr ernst. Accounts, die automatisierte Likes oder Follower verkaufen, gelten bei uns klar als Spam und werden von der Plattform entfernt“. Erst im November 2018 wurde dieser Plan erneut bekräftigt. Auch die AGB unterstreichendie Nulltoleranzpolitik gegenüber Fakern. Die Rechtsanwältin Jenny Afia hat die entsprechenden Passagen für das Onlinemagazin bento verständlich reformuliert: Laut Afia behält sich Instagram das Recht vor – „aus jedem beliebigen Grund und ohne vorherige Ankündigung“ – Zugänge zu sperren und Nutzer zur Aufgabe ihres Namens zu zwingen. Außerdem kann Instagram Posts und andere Inhalte ohne jedwede Mitteilung oder Entschädigung löschen.
Plötzlich alles weg? Instagram kann ohne Vorankündigung Content löschen und Accounts sperren. Foto: Toni Hukkanen, Quelle, Lizenz: Unsplash-Lizenz
Die rechtliche Situation
Wem auch das Risiko, durch den Follower-Kauf eigene Inhalte oder gleich den gesamten Account und damit auch die mühsam aufgebaute organische Reichweite und seinen Einfluss zu verlieren, noch immer keine Sorgen macht, wird vielleicht zumindest juristischen Aspekten gegenüber nicht völlig indifferent sein. Zwar hat man als Privatperson bislang keine rechtlichen Konsequenzen zu fürchten. Anders ist das aber für Unternehmen oder unternehmerisch tätige Personen, also Gewerbetreibende oder Freiberufler, sagt Rechtsanwalt Tim Hoesmann. „[M]it den Followern wird nach außen eine Popularität vermittelt, welche tatsächlich nicht so gegeben ist“, sagt der Experte. Aus seiner Sicht, „erklären sich Follower gegen Bezahlung dazu bereit, das Unternehmen toll zu finden. Dieses kann als unlautere Wettbewerbshandlung eingestuft werden“. Im Hinblick auf Fake-Bewertungen liege hierzu mittlerweile auch ein Gerichtsurteil, in dem festgestellt wird, „dass Fake Bewertungen, also bewusst unwahre Bewertungen von Produkten, eine wettbewerbswidrige Handlung darstellen“. Diese Entscheidung sei durchaus auf den Kauf von Followern übertragbar. Denn auch hier erziele derjenige, der Fake-Follower kauft, einen unlauteren Wettbewerbsvorteil gegenüber Unternehmen, die auf organisches Wachstum setzen. Das bedeutet: Im schlimmsten Fall drohen hier Abmahnungen, Unterlassungsklagen und Schadensersatzansprüche.
Was sagt Justitia? Der Kauf von Fake Followern kann ernsthafte juristische Folgen haben. Foto: Marco Verch, Quelle, Lizenz: CC BY 2.0
Unternehmen: Umdenken findet statt – man setzt auf Mikro-Influencer
Influencer, die keine sind, schaden dem Geschäft. InfluencerDB schätzt den Verlust, der Unternehmen durch Fake Follower entsteht, auf etwa 500 Millionen US Dollar. Die Ergebnisse einer Studie der Points North Group zeigen, dass auch große Unternehmen vermeintlichen Influencern aufgesessen sind. In diesem Fall war beispielsweise Ritz-Carlton mit 78% Fake-Followern der Spitzenreiter.
Deshalb wird die Branche zunehmend vorsichtiger. Nach Angaben von t3n findet mittlerweile auch ein Umdenken in den Agenturen statt. Anstatt einen großen Influencer zu buchen, verteilt man das Budget immer häufiger lieber auf viele Micro-Influencer. So sei „das Risiko besser verteilt.“ Auch die PR- und Influencer-Marketing-Beraterin Katharina Braun sieht einen Vorteil darin, mit kleineren Influencern zusammen zu arbeiten. Diese hätten „zwar eine kleine Reichweite aber ein hohes Engagement und auch Vertrauen in den Account“, sagt sie uns in einem Interview. Ihrer Meinung nach ist „[b]ei großen Accounts der Streuverlust meist zu groß“, aus diesem Grund setzt sie lieber auf 10 kleinere Accounts und erzielt dadurch einen größeren Erfolg hinsichtlich der Conversion Rate.
Du hast das nicht nötig!
Angesichts der Risiken, die mit dem Kauf von Followern verbunden sind, kann man nur raten: Lieber sein lassen! Foto: rawpixel, Quelle, Lizenz: Unsplash-Lizenz
Man sieht: Natürlich sind die Marketing-Verantwortlichen in Unternehmen nicht naiv und verbrennen sinnlos Geld. In der Vergangenheit war das Problem einfach noch nicht groß genug, als dass es Konsequenzen auf die Entscheidungen über Kooperationen notwendig gemacht hätte. Mittlerweile ist das aber anders. In Zukunft werden Unternehmen genauer hinschauen und sich mit den Kooperationspartnern intensiver beschäftigen. Für den ambitionierten Instagram-Nutzer bedeutet das: Poste großartigen Content, kümmere dich um deine Fans und wachse weiter organisch. Denn auch in Zukunft bleibt reale Reichweite in der digitalen Ökonomie der Aufmerksamkeit ein Angebot, das Werbetreibende nicht ablehnen können.
Autoren: Leonie Häuser, Franziska Neuer, Arne Schmidt und Stephan Frühwirt
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Titelfoto: Kristina Flour, Quelle, Lizenz: Unsplash-Lizenz
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