Online-Fahndung in sozialen Netzwerken
Erschienen in:
Die Polizei 106 (2015) H. 12. S. 344–351.
Autoren:
Jana Lohmeier, Anna-Lisa Menck, Simon Noack,
Nicolas Zimmermann, Johanna Lange, Stephan Frühwirt
Abstract
In den letzten Jahren hat die Polizei begonnen, die Kommunikationsmöglichkeiten sozialer Netzwerke für die eigene Ermittlungsarbeit zu nutzen: Entgegen der Empfehlung der Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder von 2014 ist es inzwischen in immer mehr Bundesländern üblich, Fahndungsaufrufe insbesondere auf der Social-Media-Plattform Facebook zu verbreiten. Dabei hat sich in der Praxis zwar gezeigt, dass dies in der Regel schneller zum Ermittlungsziel führt. Den Erfolgen auf der einen Seite stehen auf der anderen potenziell aber auch negative Auswirkungen für die von einer Fahndung Betroffenen gegenüber: Es kann zu Bedrohungssituationen bis hin zu Aufrufen zur Lynchjustiz und langfristigen Stigmatisierungen kommen.
Aus medienwissenschaftlicher Perspektive werden diese Phänomene auf Merkmale zurückgeführt, die das Internet als Kommunikationsmedium generell kennzeichnen.
Dabei ergibt sich, dass aufgrund der gestiegenen Chancen und Risiken die Frage nach der Verhältnismäßigkeit neu gestellt werden muss: Öffentliche Online-Fahndung ist den Ergebnissen zufolge geeignet und erforderlich, um die anvisierten Ziele zu erreichen – aber ist sie in Anbetracht der neuen Gefahren auch angemessen? Es wird empfohlen, die rechtlichen Grundlagen von Online-Fahndung neu zu beurteilen und dabei eine Verschärfung des Schweregrads der Straftat, die zur Rechtfertigung dieser Maßnahme dient, in Betracht zu ziehen. Dabei ist jedoch zu beachten, dass eine Neuregelung nur konsequent sein kann, wenn sie sich auch auf herkömmliche Offline-Fahndung bezieht, da diese selbstverständlich durch die Verfügbarkeit von Smartphones etc. jederzeit mühelos im Internet verbreitet werden kann.
Zudem können einige konkrete Sofortmaßnahmen ergriffen werden. Zu ihnen gehören einerseits die Einhaltung der bestehenden Regelungen sowie andererseits die Bereitstellung sensibler Fahndungsdaten nur über polizeieigene Server, die Aufklärung der Bürger und das Abschalten der Kommentarfunktion.