MODUL 5: Authentische Selbstdarstellung
1. Case → 2. Insight → 3. Deep Lecture
Social Media:
Keine Angst vor Inszenierung!
von Simon Noack und Stephan Frühwirt
Lustige Emojis, verwackelte Bilder, dilettantische Kritzeleien: Auf Snapchat bedienen sich viele Unternehmen derselben Darstellungsmittel wie private Nutzer. Durch informelle und deutlich stärker personalisierte Kommunikation präsentieren sich Marken in ungewohnten Kontexten und profitieren von einer Wirkung der Echtheit und Unmittelbarkeit, die man der App derzeit zuschreibt. Aber haben Marken auf Snapchat wirklich bessere Möglichkeiten authentischer Selbstdarstellung jenseits von Inszenierung?
Fotos: Burberry auf Snapchat
Dass eine Snapchat-Kampagne auch jenseits amateurhafter Bildästhetik funktioniert, zeigt z.B. die Modemarke Burberry: Sie setzte Anfang 2016 bewusst auf eine hochwertig produzierte, exklusive 24-Stunden-Kampagne mit dem Starfotografen Mario Testino.
Authentizität schließt Inszenierung nicht aus
Diese Frage leitet fehl, denn sie setzt voraus, dass Selbstdarstellung ohne Inszenierung überhaupt möglich ist. Aber das ist ein Trugschluss, da sich jede Kommunikation immer auch nach den Erwartungen derjenigen richtet, die sie adressiert. Ob sie auf sie Rücksicht nimmt oder sich bewusst über sie hinwegsetzt, ist dabei unerheblich. Mit anderen Worten: Jeder muss bei der Wahl seines Verhaltens die Vorstellungen der anderen in seine Entscheidungen einfließen lassen.
Dies gilt natürlich auch für alle Formen des Marketings — hier ist die Inszenierung der Kommunikation häufig sogar deutlicher als irgendwo sonst. Denn jede Markenkommunikation folgt einer Strategie, die ihre Beobachter immer klar einbezieht. Und das wissen natürlich auch die Follower bei Snapchat. Ob eine Darstellung als authentisch gilt oder nicht, hängt daher weniger davon ab, ob sie als inszeniert wahrgenommen wird oder nicht, sondern davon, ob man sie der Marke abkauft.
Was authentisch ist, entscheidet der Beobachter
Um es also deutlich zu sagen: Es gibt keine Unmittelbarkeit jenseits von Inszenierung. Daran ändern auch der unbekümmerteste Snapschuss, das wackeligste Smartphonevideo und die krakeligste Strichzeichnung nichts. Wer so wirbt, setzt eben auf inszenierte Unmittelbarkeit. Auch Snapchat hat das Wahrhaftige, Echte und Unverfälschte nicht gepachtet. Deshalb lautet die eigentliche Frage: Wirkt die Inszenierung authentisch? Und dass die Antwort darauf nichts mit der genutzten Plattform zu tun hat, zeigt nicht zuletzt der Verlauf der Echtheitsdebatten um Youtube und Instagram. Auch da hat sich die Aufregung schnell wieder gelegt. Die Authentizität einer Darstellung liegt nicht im Medium, sondern sie wird von einem Beobachter zugeschrieben – und zwar immer dann, wenn die Selbstdarstellung seines Gegenübers seinen Erwartungen entspricht. Diese Erwartungen gilt es also bei jeder Konzeption einer Kommunikationsstrategie zu berücksichtigen. Und nichts anderes ist Inszenierung.