MODUL 3: Shitstorms verstehen
1. Case → 2. Insight → 3. Deep Lecture
Kritik zulassen und nicht
persönlich nehmen
von Anna-Lisa Menck und Stephan Frühwirt
Schon Kommentare während des Shitstorms sprachen vom Epic Fail des Nahrungsmittelriesen, der als Lehrstück in die Geschichte der Social Media-Kundenkommunikation eingehen werde. Denn Nestlé hat gleich mehrere Fehler grundsätzlicher Art gemacht.
Öl ins Feuer: Enttäuschung grundlegender Erwartungen
Das unliebsame Kitkat-Video auf YouTube zu sperren, hat dieses erst viral gehen lassen. Grund für dieses Paradox: Zensur ist im Web nicht nur wenig erfolg-
versprechend, sondern gilt als eine Verletzung grundlegender Werte und Normen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit gerade die Aufmerksamkeit auf sich zieht, die man damit verhindern wollte.
Das Gleiche gilt auch für die erste Reaktion auf die bedrohlichen Empörungsböen: Nestlé winkte schnell mit einer – befleckten – weißen Fahne. Offenbar hofften die Verantwortlichen, den Verbrauchern würde die Kündigung der direkten Verträge mit der besonders umstrittenen Firma ausreichen und sie würden nicht hinterfragen, woher die Zwischenhändler ihr Palmöl beziehen. Die Nutzer erwarten aber nicht nur eine zeitnahe Reaktion auf Kritik und Vorwürfe, sondern auch Aufrichtigkeit.
Das Problem an dieser Reaktion bestand darin, dass durch die Enttäuschung genereller Erwartungen in Bezug auf die Kommunikation in Social Media plötzlich Nutzer zur Beteiligung am Konflikt motiviert wurden, die sich zunächst einmal gar nicht engagiert hatten. Während die Palmölfrage für sie keinen Grund zur Empörung dargestellt hatte, galt dies hingegen für die Zensur und die Unaufrichtigkeit der Verantwortlichen bei Nestlé sehr wohl.
Bis zur Weißglut: Übergang auf die persönliche Ebene
Den durch die Sperrung lichterloh entflammten Shitstorm heizten die Facebook-Administratoren von Nestlé selbst weiter an, indem sie sich auf eine Auseinandersetzung auf persönlicher Ebene einließen. Offenbar fühlten sich die Mitarbeiter durch die Kritik persönlich angegriffen und forderten von den Nutzern Unterordnung ein, indem sie diese harsch zurechtwiesen und mit Löschungen drohten. Damit wollten sie offenbar die Kontrolle zurückgewinnen. Aber das wenig freundliche Angebot eines Hierarchieverhältnisses zwischen dem Unternehmen und seinen Kunden fand in den sozialen Netzwerken keine Freunde.
Kritik besser gleich zulassen und sie nicht persönlich nehmen
Und die Moral von der Geschicht’? Zensurversuche, Unehrlichkeit, Kritik verbieten oder barsch zurückweisen, hilft Unternehmen im Shitstorm nicht. Ratsamer ist es, Kritik zuzulassen, sie aber nicht persönlich zu nehmen und zurückzuschimpfen, sondern stets bei der Sachfrage zu bleiben. Eine solche Haltung ist zwar keine Wunderwaffe. Zumindest aber gibt sie Shitstorm-Betroffenen einen Schirm in die Hand, den man ihnen nicht gleich wieder um die Ohren hauen kann.