Mit On­line-Kri­tik zum Image­ge­winn2019-02-12T12:31:02+02:00

MO­DUL 4: Kri­tik in Ver­trau­en ver­wan­deln

1. Case      2. In­sight    3. Deep Lec­tu­re

Mit On­line-Kri­tik
zum Image­ge­winn

Kri­tik in den So­ci­al Me­dia er­scheint vie­len Un­ter­neh­men als Pro­blem. Tat­säch­lich ist sie aber ein wich­ti­ger Teil er­folg­rei­cher Kun­den­kom­mu­ni­ka­ti­on. Ge­hen die Ver­ant­wort­li­chen mit den öf­fent­li­chen Be­schwer­den kom­pe­tent um, las­sen sich die­se in po­si­ti­ve Im­pul­se fürs Cor­po­ra­te Image ver­wan­deln.

von Anna-Lisa Menck und Ste­phan Früh­wirt

Von So­ci­al Me­dia Ka­nä­len er­hof­fen sich Un­ter­neh­men, in ei­nen Dia­log mit ih­ren Kun­den zu tre­ten. Doch die­sen bie­ten die Platt­for­men nicht nur Raum für Lie­bes­be­kun­dun­gen, Nach­fra­gen und Ge­winn­spiel­teil­nah­men. Häu­fig nut­zen sie sie auch, um Kri­tik zu äu­ßern und um Är­ger und Ent­täu­schung Luft zu ma­chen. Vor die­ser öf­fent­li­chen Kri­tik ha­ben vie­le Fir­men Angst. Schnell geht das Ge­spenst des Shit­s­torms um, wenn auf So­ci­al Me­dia Ka­nä­len Be­schwer­den auf­tau­chen. Da­bei ist Kri­tik zu­nächst ein­mal et­was sehr Gu­tes. Denn sie ist ein Zei­chen für eine ak­ti­ve Com­mu­ni­ty und zeigt: Die Kun­den su­chen den Kon­takt, wenn sie ent­täuscht oder wü­tend sind, an­statt sich ein­fach still­schwei­gend vom Un­ter­neh­men ab­zu­wen­den. Kri­tik soll­te des­halb auch nicht in ers­ter Li­nie als Pro­blem, son­dern als wich­ti­ger Teil ei­nes er­folg­rei­chen Kun­den­dia­logs ver­stan­den wer­den.

Kein an­de­rer Kom­mu­ni­ka­ti­ons­ka­nal bie­tet Kun­den die Mög­lich­keit, mit so we­nig Auf­wand Kri­tik an Un­ter­neh­men zu adres­sie­ren wie So­ci­al Me­dia-Ac­counts. Dem­entspre­chend zeich­nen die­se Ka­nä­le der Fir­men sen­si­bel wie ein Seis­mo­graph Er­schüt­te­run­gen auf. Sie zei­gen un­mit­tel­bar, wo et­was nicht rund läuft, wo­mit die Kun­den un­zu­frie­den sind und was sie sich statt­des­sen wün­schen wür­den. Das Feed­back lässt sich als nied­rig­schwel­li­ger Pro­ble­ment­de­ckungs­me­cha­nis­mus nut­zen und kann so dazu bei­tra­gen, Feh­ler zu er­ken­nen und ei­nen Ser­vice oder ein Pro­dukt zu op­ti­mie­ren.

Aber scha­det öf­fent­li­che Kri­tik nicht dem Cor­po­ra­te Image? Nicht, wenn die Ver­ant­wort­li­chen zü­gig, ge­witzt und mit viel Fin­ger­spit­zen­ge­fühl auf sie re­agie­ren. Ganz im Ge­gen­teil kön­nen sich in den So­ci­al Me­dia ge­äu­ßer­te Be­schwer­den dann mit­un­ter so­gar als – im dop­pel­ten Wort­sinn – güns­ti­ge Ge­le­gen­heit ent­pup­pen, das Kun­den­ver­trau­en zu stär­ken und so das Image des Un­ter­neh­mens zu ver­bes­sern. Denn die Tat­sa­che, dass die Kri­tik öf­fent­lich ist, heißt auch, dass alle mit­le­sen kön­nen, wenn das Un­ter­neh­men er­folg­reich da­mit um­geht.

Jede Kri­tik ist ge­recht­fer­tigt

Der Schlüs­sel dazu, Nut­zen aus der öf­fent­lich ge­äu­ßer­ten Kri­tik zu zie­hen, statt Scha­den zu neh­men, liegt in ei­ner be­stimm­ten Re­zep­ti­ons­hal­tung ihr ge­gen­über und ei­ner ad­äqua­ten Re­ak­ti­on auf Be­schwer­den. Mit Kri­tik um­zu­ge­hen, ist im­mer eine Her­aus­for­de­rung. Wol­len Un­ter­neh­men die­se er­folg­reich meis­tern, ist es  wich­tig, zu­nächst ein­mal zu ver­ste­hen, dass jede Kri­tik ge­recht­fer­tigt ist – und zwar aus der Per­spek­ti­ve des Kri­ti­kers. Das be­deu­tet nicht etwa, dass es kei­ne sach­lich fal­schen Be­schwer­den oder Be­schul­di­gun­gen gäbe. Man­che Vor­wür­fe sind aus Un­ter­neh­mens­sicht mög­li­cher­wei­se so­gar voll­kom­men halt­los. Aus der Per­spek­ti­ve des Kri­ti­kers aber gibt es stets ei­nen, wie auch im­mer ge­ar­te­ten, gu­ten Grund für sei­ne Be­schwer­de. In Be­zug auf die Wahr­neh­mung von Pro­ble­men kann es zu sehr di­ver­gie­ren­den Ein­schät­zun­gen kom­men, weil je­der Kri­tik eine sub­jek­ti­ve Be­schrei­bung, Er­klä­rung und Be­wer­tung der Si­tua­ti­on zu­grun­de liegt. Je­der be­ob­ach­tet an­ders – auch und ge­ra­de dann, wenn er sich är­gert. Die­ses grund­le­gen­de Wis­sen hilft Un­ter­neh­men, stets sen­si­bel für Kri­tik zu blei­ben.

Mit die­ser sub­jek­ti­ven, sehr se­lek­ti­ven Sicht auf die Welt be­schäf­tigt sich in der Phi­lo­so­phie der er­kennt­nis­theo­re­ti­sche Kon­struk­ti­vis­mus. Be­trach­tet man das Pro­blem durch die Bril­le die­ser Theo­rie, han­delt es sich bei der Kri­tik nicht um „Fak­ten“ im ei­gent­li­chen Sin­ne. Da­mit soll je­doch kei­nes­wegs be­haup­tet wer­den, die Nut­zer zö­gen sich ihre Be­schwer­de­grün­de aus lan­gen Na­sen. Viel­mehr gilt – und das für jede Form der Wahr­neh­mung: Die Land­kar­te ist nicht das Ge­biet. Die­se Me­ta­pher be­schreibt die Grund­an­nah­me des Kon­struk­ti­vis­mus. Sie meint, dass wir, je nach Blick­win­kel, im­mer nur ei­nen ganz be­stimm­ten, klei­nen Aus­schnitt der un­end­lich kom­ple­xen Wirk­lich­keit wahr­neh­men oder sprach­lich ab­bil­den kön­nen — wie eine Land­kar­te ein Ge­biet. Ist jene sorg­fäl­tig an­ge­fer­tigt, hat sie zwar struk­tu­rell Ähn­lich­keit mit der ei­gent­li­chen Land­schaft und er­füllt ih­ren Zweck, bleibt aber den­noch nur ein Ab­bild. In Si­tua­tio­nen des Ein- oder Wi­der­spruchs kommt die­se Art der Wirk­lich­keits­kon­struk­ti­on in be­son­de­rem Maße zum Tra­gen. Denn ob­wohl eine Par­tei das Han­deln oder Ver­hal­ten der je­weils an­de­ren kri­ti­siert und sie dann ge­ge­be­nen­falls dar­über strei­ten, was sich war­um wie ab­ge­spielt hat und was nun rich­tig oder falsch ist, be­zieht sich kei­ne der Par­tei­en da­bei auf die­sel­ben „Fak­ten“: Sie neh­men Ver­schie­de­nes wahr, das sie un­ter­schied­lich be­schrei­ben, er­klä­ren und be­wer­ten. So su­chen sie oft auf zwei un­ter­schied­li­chen Land­kar­ten nach ei­nem Aus­weg, nur um sich da­bei im­mer wei­ter zu ver­lau­fen. Das Ex­plo­si­ve dar­an: We­der die­ser ei­ge­nen Kon­struk­ti­on, noch der Op­ti­on, die Din­ge an­ders zu se­hen, sind sich die In­ter­ak­ti­ons­teil­neh­mer in der Re­gel be­wusst.

Sen­si­bel und fle­xi­bel sein

Sen­si­bi­li­tät ist vor al­lem des­halb wich­tig, weil es kei­ne pau­schal rich­ti­gen Re­ak­tio­nen auf Kri­tik gibt. Zu un­ter­schied­lich sind die je­wei­li­gen Pro­blem­la­gen, der Kon­text, die Mo­ti­ve und die per­sön­li­che Si­tua­ti­on des Kun­den, aber auch die Res­sour­cen des Un­ter­neh­mens im kon­kre­ten Fall. Zwar las­sen sich ei­ni­ge wich­ti­ge ba­sa­le Emp­feh­lun­gen dar­über aus­spre­chen, was es zu ver­mei­den gilt, wenn man nicht durch ei­ge­ne Feh­ler zu ei­ner Es­ka­la­ti­on von Kon­flik­ten bei­tra­gen möch­te: etwa ein kon­fron­ta­ti­ver Ge­gen­an­griff, lee­re Ver­spre­chen zur ver­meint­li­chen Be­schwich­ti­gung, das Lö­schen öf­fent­li­cher Be­schwer­den oder der Ver­such, sie ein­fach aus­zu­sit­zen. Aber ab­ge­se­hen von dem, was Un­ter­neh­men nicht tun soll­ten, muss die Ent­schei­dung für eine be­stimm­te Re­ak­ti­on, für den je­wei­li­gen Um­gangmit Kri­tik stets si­tua­ti­ons­spe­zi­fisch ge­trof­fen wer­den. Hier ist Fin­ger­spit­zen­ge­fühl ge­fragt. Denn so bunt die Pa­let­te po­ten­zi­el­ler Kon­flikt­fäl­le ist, so viel­fäl­tig sind auch die dar­auf be­zo­ge­nen Ver­hal­tens­mög­lich­kei­ten.

Bei­spiel­stra­te­gi­en für eine er­folg­ver­spre­chen­de Re­ak­ti­on

Mit Hu­mor ge­nom­men

So kann es in be­stimm­ten Fäl­len sinn­voll sein, auf Kri­tik be­son­ders schlag­fer­tig zu re­agie­ren. Die Vor­aus­set­zung da­für ist, dass die per­sön­li­che Be­trof­fen­heit des Kun­den nicht be­son­ders hoch ist. In die­sem Fall be­schwert er sich nicht, weil er – aus sei­ner Sicht – durch die Schuld des Un­ter­neh­mens zum Bei­spiel ernst­haft Scha­den ge­nom­men, viel Geld ver­lo­ren oder eine ein­ma­li­ge Chan­ce ver­passt hat.

Für eine im wahrs­ten Sin­ne des Wor­tes ge­witz­te Re­ak­ti­on auf sol­che Kri­tik bie­ten sich zwei Mög­lich­kei­ten be­son­ders an: Zum ei­nen kön­nen die So­ci­al Me­dia Mit­ar­bei­ter die Sicht des kri­ti­sie­ren­den Kun­den über­spitzt auf­grei­fen und iro­nisch be­ja­hen. Wie das aus­se­hen kann, zeigt zum Bei­spiel ein Blick auf die Face­book-Sei­te von Die Welt.

Post: Die Welt, Quel­le

Auch die Ber­li­ner Ver­kehrs­be­trie­be etwa set­zen im Um­gang mit Kri­tik im Rah­men ih­rer Twit­ter-Kam­pa­gne „Weil wir Dich lie­ben” auf (Selbst-)Ironie und sind da­mit über­aus er­folg­reich: Zu­nächst lach­te die Mehr­heit der Nut­zer noch über die BVG, mitt­ler­wei­le la­chen alle mit ihr.

Selbst bei An­grif­fen un­ter die Gür­tel­li­nie, die pro­vo­zie­ren, dis­kri­mi­nie­ren oder het­zen, kann die Stra­te­gie, iro­nisch oder mit­un­ter so­gar sar­kas­tisch zu re­agie­ren, sinn­voll sein.

Zum an­de­ren kann es auch von Er­folg ge­krönt sein zu­rück­zu­frot­zeln und so bei­spiels­wei­se im­pli­zi­te For­de­run­gen nach ei­ner öf­fent­li­chen Recht­fer­ti­gung mit ei­nem au­gen­zwin­kern­den Nein zu­rück­zu­wei­sen. Ne­ben der BVG hat­te mit ei­ner sol­chen Re­ak­ti­on auch Ken­tu­cky Fried Chi­cken die La­cher der an­de­ren Nut­zer auf sei­ner Sei­te.

Post: KFC, Quel­le

Hu­mor statt Ver­är­ge­rung, Iro­nie statt Kon­fron­ta­ti­on: Eine sol­che Stra­te­gie bie­tet sich für die Kom­mu­ni­ka­ti­on über So­ci­al Me­dia an, weil sie es an­de­ren, auch un­be­tei­lig­ten Nut­zern leicht macht, sich selbst auf die Sei­te des Un­ter­neh­mens stel­len und statt der Sa­che den Un­ter­hal­tungs­wert des Dia­logs in den Vor­der­grund zu rü­cken. Wit­ze sind in die­sem Fall an­schluss­fä­hi­ger als erns­te Ver­su­che der Recht­fer­ti­gung. Eben dar­aus er­gibt sich auch der hohe Buzz-Wert sol­cher In­ter­ak­tio­nen: Die Dau­men und Her­zen an­de­rer Nut­zer er­obern be­son­ders ge­schick­te Ent­geg­nun­gen die­ser Art oft im Sturm. Aus ei­nem dro­hen­den Shit­s­torm wird so mit­un­ter eine vi­ra­le So­ci­al-Me­dia-Mar­ke­ting-Kam­pa­gne – und das voll­kom­men kos­ten­los. Mit et­was Glück er­reicht die ex­ter­ne So­ci­al Me­dia-Kom­mu­ni­ka­ti­on auf die­se Wei­se so­gar das Op­ti­mum: dass am Ende gar kei­ner weint, son­dern alle la­chen.

Wenn es ernst wird

Ei­nen an­de­ren Weg soll­ten Ver­ant­wort­li­che wäh­len, wenn Kun­den per­sön­lich be­trof­fen und so ver­är­gert, ent­täuscht oder ver­zwei­felt sind, dass sie wahr­schein­lich kei­nen Spaß mehr ver­ste­hen. In sol­chen Fäl­len ist Em­pa­thie von enor­mer Wich­tig­keit. Ex­ter­ne So­ci­al Me­dia Kom­mu­ni­ka­ti­on soll­te also un­be­dingt auch in der Lage sein, sich in die Kun­den hin­ein­zu­ver­set­zen und eine Ah­nung da­von zu ent­wi­ckeln, wie die­se die Si­tua­ti­on er­le­ben.

Wol­len So­ci­al Me­dia Mit­ar­bei­ter mit dem Kun­den in ei­nen er­folg­ver­spre­chen­den Dia­log tre­ten ist es wich­tig, dass sie ihm Wert­schät­zung für sei­ne Kri­tik ent­ge­gen­brin­gen. Sie soll­ten deut­lich ma­chen, dass sie die Be­schwer­de ernst neh­men und sei­ne Sicht auf das Pro­blem bes­ser ver­ste­hen möch­ten. Un­ab­hän­gig von ih­rer ei­ge­nen Per­spek­ti­ve soll­ten sie da­für zu­nächst eine mög­lichst all­par­tei­li­che Po­si­ti­on zu dem Sach­ver­halt ein­neh­men. Hier­bei hilft ih­nen die Kom­mu­ni­ka­ti­ons-Tech­nik des ak­ti­ven Zu­hö­rens: Um si­cher­zu­ge­hen, dass sie den Kun­den rich­tig ver­ste­hen, kön­nen sie sei­ne Kri­tik­punk­te in ei­ge­nen Wor­ten noch ein­mal zu­sam­men­fas­sen, sie also pa­ra­phra­sie­ren, und durch zu­ge­wand­tes, ein­fühl­sa­mes Nach­fra­gen ver­su­chen, sei­ne Lage, Emo­tio­nen und Be­dürf­nis­se nach­zu­voll­zie­hen. Ge­lingt es so, aus­rei­chend Ver­trau­en für ei­nen Dia­log zu schaf­fen, soll­ten die Mit­ar­bei­ter die Pro­blem­be­ar­bei­tung dann schnellst­mög­lich in ei­nen nicht öf­fent­li­chen Kom­mu­ni­ka­ti­ons­ka­nal um­lei­ten. Per Mail, Chat oder Te­le­fon kann die Be­schwer­de dann de­tail­liert und da­ten­schutz­ge­recht auf­ge­nom­men und bes­ten­falls ge­löst wer­den.

Ein sol­cher wert­schät­zen­der und em­pa­thi­scher Um­gang mit Kun­den­kri­tik stärkt auch bei Be­ob­ach­tern der Si­tua­ti­on das Ver­trau­en in die Kom­pe­tenz des Un­ter­neh­mens, mit Be­schwer­den um­zu­ge­hen. So kann auch die­se Stra­te­gie zu ei­nem po­si­ti­ven Image bei­tra­gen.

Post: 1&1, Quel­le

Ob mit Schlag­fer­tig­keit oder Fein­ge­fühl – glückt eine er­folg­rei­che Um­set­zung, las­sen sich Be­schwer­den mit bei­den Stra­te­gi­en nicht nur in­tern als Pro­ble­ment­de­ckungs­me­cha­nis­mus zur Ser­vice- oder Pro­dukt­ver­bes­se­rung nut­zen. Auch ih­ren Ruf kön­nen Un­ter­neh­men durch ei­nen kom­pe­ten­ten Um­gang mit Kri­tik ver­bes­sern. Man den­ke in die­sem Zu­sam­men­hang noch ein­mal an die Deut­sche Bahn, der die Le­ser des Lie­bes­aus-Threads so viel Hu­mor und Mensch­lich­keit gar nicht zu­ge­traut hät­ten…

Das Le­sen der An­de­ren

Dem Man­tra zum Trotz, dass die Kri­tik on­line je nach Si­tua­ti­on und Kun­den­be­trof­fen­heit eine sehr spe­zi­fi­sche, in­di­vi­du­el­le Re­ak­ti­on er­for­dert, lässt sich das Kom­mu­ni­ka­ti­ons­ziel, das mit Kri­tik in den So­ci­al Me­dia kon­fron­tier­te Un­ter­neh­men an­stre­ben soll­ten, kon­kret be­nen­nen.

Es er­gibt sich aus der Ant­wort auf die Fra­ge, wes­halb ein Teil der un­zu­frie­de­nen, ver­är­ger­ten oder ent­täusch­ten Kun­den über­haupt lie­ber die so­zia­len Netz­wer­ke nutzt als die Te­le­fon­hot­line des Kun­den­ser­vices an­zu­ru­fen oder eine E‑Mail zu schrei­ben. Der Grund da­für ist, ne­ben dem ver­gleichs­wei­se ge­rin­ge­ren Zeit­auf­wand, den ein Post oder Tweet sie kos­tet – wohl kaum je­mand mag War­te­schlei­fen­mu­sik oder for­mu­liert ger­ne um­ständ­li­che Mail­an­fra­gen – vor al­lem die Öf­fent­lich­keit, in der sich So­ci­al Me­dia Kom­mu­ni­ka­ti­on ab­spielt. Mit die­ser ist die sehr mo­ti­vie­ren­de  Er­war­tung ver­bun­den, tat­säch­lich wahr­ge­nom­men und ge­hört zu wer­den. Denn Kri­tik on­line le­sen nicht nur die Mit­ar­bei­ter des Un­ter­neh­mens – tau­sen­de an­de­re Kun­den und Nut­zer le­sen mit.

Bild­aus­schnitt aus dem Bei­trag: Smart­pho­nes sor­gen für mehr Kom­mu­ni­ka­ti­on,
Li­zenz Vi­deo: CC BY 3.0

Selbst wenn die er­hoff­te Re­ak­ti­on der Ver­ant­wort­li­chen aus­bleibt, be­steht so noch eine hohe Chan­ce, dass die Be­schwer­de trotz­dem nicht ins Lee­re läuft. Mit an­de­ren Wor­ten: Je mehr Nut­zer er­reicht wer­den, die sich mit der Er­fah­rung des Kri­ti­kers oder auch nur mit des­sen Är­ger über eine als falsch emp­fun­de­ne Re­ak­ti­on iden­ti­fi­zie­ren könn­ten, des­to grö­ßer wird die Büh­ne für des­sen An­lie­gen. Und das gilt un­ab­hän­gig da­von, mit wel­chem Pro­blem er aus wel­chen Grün­den die­ses Ram­pen­licht sucht.

Was be­deu­tet das für die Un­ter­neh­men? Auch sie kön­nen die­se Öf­fent­lich­keit nut­zen, wenn sie ver­ste­hen, dass ihre Re­ak­ti­on glei­cher­ma­ßen von eben­so vie­len wei­te­ren Nut­zern wahr­ge­nom­men wird und ei­nen wich­ti­gen Ein­fluss­fak­tor auf de­ren Mei­nun­gen in Be­zug auf das Un­ter­neh­men dar­stellt. So wer­den die Lö­sung ei­nes kon­kre­ten Pro­blems oder der schlag­fer­ti­ge Kon­ter auf un­ge­recht­fer­tig­te Kri­tik er­gänzt um ein enor­mes Po­ten­zi­al zur Stär­kung des Cor­po­ra­te Images: Die Mög­lich­keit, al­len an­de­ren zu de­mons­trie­ren, dass das Un­ter­neh­men fä­hig ist, mit Kri­tik er­folg­reich um­zu­ge­hen und die Kom­mu­ni­ka­ti­on mit sei­nen Kun­den auf­recht zu er­hal­ten, ohne eine Kon­flikt­eska­la­ti­on zu pro­vo­zie­ren. Da­mit zeigt sich das Un­ter­neh­men an­pas­sungs­fä­hig und fle­xi­bel im Fall von Schwie­rig­kei­ten so­wie kom­pe­tent hin­sicht­lich pro­gres­si­ver Kun­den­kom­mu­ni­ka­ti­on. Es be­weist Re­si­li­enz, das heißt, die Fä­hig­keit, auch mit den vie­len Her­aus­for­de­run­gen in ei­ner sich än­dern­den Um­welt zu be­stehen.

Frei­raum für Er­folg

Die­sen Nut­zen kön­nen Un­ter­neh­men nur dann aus der Kri­tik in So­ci­al Me­dia zie­hen, wenn ihre So­ci­al Me­dia-Teams zü­gig und ad­äquat auf Kri­tik re­agie­ren dür­fen. Sie müs­sen in aus­rei­chen­dem Um­fang selbst Ver­ant­wor­tung für ihre Bei­trä­ge über­neh­men und vom Un­ter­neh­men mit dem da­für nö­ti­gen Frei­raum und Ver­trau­en aus­ge­stat­tet sein. Zu­gleich ist da­mit aber auch ein  ho­her An­spruch an die Mit­ar­bei­ter ver­bun­den. Die­se müs­sen ent­spre­chend qua­li­fi­ziert sein und sich an­ge­sichts des per­ma­nen­ter Ver­än­de­rung un­ter­wor­fe­nen Kom­mu­ni­ka­ti­ons­um­fel­des lau­fend wei­ter­ent­wi­ckeln. Die Be­treu­ung der So­ci­al Me­dia-Ka­nä­le dem je­wei­li­gen Prak­ti­kan­ten zu über­las­sen, ist also kaum sinn­voll.

Hät­te der Mit­ar­bei­ter der Deut­schen Bahn sei­ne ge­schick­te Ant­wort auf die Be­schwer­de erst mit sei­nem Vor­ge­setz­ten ab­spre­chen müs­sen, wä­ren viel­leicht in der Zwi­schen­zeit an­de­re ent­täusch­te Fahr­gäs­te auf den Zug der Kri­ti­ke­rin auf­ge­sprun­gen. Und der wie­der­um wäre für die Deut­sche Bahn even­tu­ell schnell in Rich­tung Kon­flikt­eska­la­ti­on ab­ge­fah­ren. Mit der ge­witz­ten Re­ak­ti­on nach nur we­ni­gen Mi­nu­ten ge­lang es dem Ver­ant­wort­li­chen je­doch, die Ent­täu­schung der Kun­din auf­zu­fan­gen und ihre Kri­tik in po­si­ti­ve Im­pul­se zu ver­wan­deln.

Pro­blem­lö­sungs­kom­pe­tenz zei­gen

Auf Kri­tik in den So­ci­al Me­dia gibt es für Un­ter­neh­men kei­ne pau­schal rich­ti­ge Re­ak­ti­on. Fest­hal­ten lässt sich je­doch zu­min­dest so­viel: Kri­tik nut­zen heißt, die Kom­mu­ni­ka­ti­on mit den Kun­den auf­recht zu er­hal­ten, ohne eine Es­ka­la­ti­on des dro­hen­den oder be­gin­nen­den Kon­flikts zu pro­vo­zie­ren und je nach Si­tua­ti­on und Be­trof­fen­heit des Kri­ti­kers mög­lichst zeit­nah zu ent­schei­den, wel­che Stra­te­gie in die­sem spe­zi­fi­schen Fall zur Pro­blem­lö­sung füh­ren kann. Kann das Un­ter­neh­men so zei­gen, dass es in der Lage ist, mit öf­fent­li­cher Kri­tik kom­pe­tent um­zu­ge­hen, neh­men das vor al­lem auch an­de­re Kun­den wahr. In die­sem Fall hel­fen Be­schwer­den nicht nur, Feh­ler früh­zei­tig zu er­ken­nen und in­tern an ih­nen zu ar­bei­ten, son­dern zu­dem das Cor­po­ra­te Image und das Mar­ken­ver­trau­en der Kun­den zu stär­ken. Da­mit das ge­lin­gen kann, soll­te die ex­ter­ne So­ci­al Me­dia-Kom­mu­ni­ka­ti­on:

Sen­si­bel sein für Kri­tik und die­se grund­sätz­lich erst ein­mal als wert­voll be­trach­ten.
Zeit­nah und in­di­vi­du­ell re­agie­ren. Bei ge­rin­ger per­sön­li­cher Be­trof­fen­heit des Kri­ti­kers kön­nen die Mit­ar­bei­ter, wenn die Si­tua­ti­on dies er­laubt, ver­su­chen, die Kri­tik mit Witz zu ent­schär­fen und so Sym­pa­thie­punk­te zu ge­win­nen. Zeigt sich der Kri­ti­ker hin­ge­gen per­sön­lich be­trof­fen soll­ten sie zu­nächst pro­bie­ren, des­sen Wut und Ent­täu­schung durch wert­schät­zen­de Kom­mu­ni­ka­ti­on und ak­ti­ves Zu­hö­ren auf­zu­fan­gen und sei­ne Sicht auf das Pro­blem zu ver­ste­hen. Um dann de­tail­liert dar­auf ein­ge­hen zu kön­nen, gilt es, die In­ter­ak­ti­on schnellst­mög­lich in ei­nen nicht öf­fent­li­chen Kun­den­ser­vice-Ka­nal ab­zu­lei­ten.
Wol­len Un­ter­neh­men ei­nen er­folg­rei­chen Um­gang mit Kri­tik wahr­schein­lich ma­chen und die Chan­ce, Be­schwer­den pro­duk­tiv nut­zen zu kön­nen, ma­xi­mie­ren, muss da­für das ent­spre­chen­de Per­so­nal zur Ver­fü­gung ste­hen: Die So­ci­al Me­dia-Mit­ar­bei­ter soll­ten aus­rei­chend qua­li­fi­ziert sein und den not­wen­di­gen Frei­raum ha­ben, ei­gen­ver­ant­wort­lich in­di­vi­du­ell und schnell re­agie­ren zu kön­nen.

Zum Wei­ter­le­sen

Ed­gar Lapp: Lin­gu­is­tik der Iro­nie. Tü­bin­gen: Narr 1992.

Mar­shall B. Ro­sen­berg: Ge­walt­freie Kom­mu­ni­ka­ti­on. Eine Spra­che des Le­bens. Pa­der­born: Jung­fer­mann 2005.

Fritz B. Si­mon: Ein­füh­rung in Sys­tem­theo­rie und Kon­struk­ti­vis­mus. Hei­del­berg: Auer 2008.

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